Einsichten und Perspektiven (1|13): Vertrag von Lissabon - page 5

Bundeskanzler Helmut Kohl
fasst auf einer Pressekonferenz
die Ergebnisse des Maastrich-
ter Vertrages zusammen:
Helmut Kohl (M.), Außen-
minister Hans-Dietrich
Genscher (l.) und Regierungs-
sprecher Dieter Vogel (r.),
11.12.1991
Abbildung: ullstein bild –dpa
198a des Maastrichter Vertrages von 1992 sah die Einrich-
tung eines beratenden Ausschusses aus Vertretern der re-
gionalen und lokalen Gebietskörperschaften vor. Der Aus-
schuss der Regionen wurde verpflichtet, zur Tätigkeit des
Rates und der Kommission in bestimmten Themenbe-
reichen Stellung zu nehmen und konnte von diesen EU-Or-
ganen auch zu anderen Themen gehört werden. Zudem er-
hielt der AdR das Recht zur Stellungnahme aus eigener
Initiative. Als Bereiche obligatorischer Stellungnahme
nannte der Maastrichter Vertrag:
„Allgemeine Bildung und Jugend“, „Kultur“, „Ge-
sundheitswesen“, „Transeuropäische Netze“, „wirtschaftli-
cher und sozialer Zusammenhalt“ und „Struktur- und Ko-
häsionsfonds“. Im Amsterdamer Vertrag von 1997 kamen
die Bereiche „Umwelt“, „berufliche Bildung“, „Soziales“,
„Beschäftigung“ und „Verkehr“ hinzu. Hinsichtlich der fa-
kultativen Anhörung des AdR wurde von der Kommission
als besonders hilfreich die Mitarbeit des AdR beim Thema
„grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ hervorgehoben.
Einen institutionellen „Verbündeten“ erhielt der AdR im
Amsterdamer Vertrag dadurch, dass das Europäische Parla-
ment die Möglichkeit erhielt, den AdR zu konsultieren. Da-
mit konnte auch das Misstrauen des Europäischen Parla-
ments gegenüber dem AdR als einer weiteren − mit dem
Parlament potentiell in Konkurrenz stehenden − Vertre-
tungsinstanz der europäischen Bevölkerung „produktiv“
überwunden werden. Beide Institutionen sehen sich heute
als Kontrollinstanzen gegenüber Rat und Kommission.
Der Lissabon-Vertrag garantiert dem AdR ein An-
hörungsrecht imordentlichenGesetzgebungsverfahren: „Der
Ausschuss der Regionen wird vom Europäischen Parlament,
vom Rat oder von der Kommission in den in den Verträgen
vorgesehenen Fällen und in allen anderen Fällen gehört, in de-
nen eines dieser Organe dies für zweckmäßig erachtet, insbe-
sondere in Fällen, welche die grenzüberschreitende Zusam-
menarbeit betreffen.“ (Artikel 307 AEUV). Auch eine
Subsidiaritätsklage wird dem Ausschuss der Regionen an die
Hand gegeben „in Bezug auf Gesetzgebungsakte, für deren
Erlass die Anhörung des Ausschusses der Regionen nach dem
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vor-
geschrieben ist“ (Artikel 8, Protokoll Nr. 2).
Der AdR sieht sich als wichtigen Akteur im neuen
europäischen Regieren und beruft sich dabei auf das Weiß-
buch „Europäisches Regieren“ der Kommission von 2001.
Ziel ist die rechtliche, politische und sachliche Verknüpfung
territorialer Zusammenarbeit. Der AdR hat in seinem eige-
nen Weißbuch zur Multi-Level-Governance von 2009 hier-
für Kontexte und Begründungen zu schaffen versucht. Der
AdR wendet den an sich analytisch offenen Begriff der
„Multi-Level-Governance“ normativ und definiert gutes
Regieren in Europa als „das koordinierte, auf Partnerschaft
beruhende Vorgehen der Union der Mitgliedstaaten und der
regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zur Auswei-
tung und Unterstützung der Politiken der Europäischen
Union.“
13
Legitimatorisch ist nicht unproblematisch, dass
der AdR nach seinen eigenen Erhebungen von 2009 weit
13 Gerhard Stahl: Neues Regieren in Partnerschaft: Das Weißbuch des Ausschusses der Regionen zur Multi-Level-Governance in der EU, in:
Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hg.): Jahrbuch des Föderalismus 2010, Baden-Baden 2010, S. 426−434, hier
S. 431.
Europa der Regionen
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