Einsichten und Perspektiven (1|13): Vertrag von Lissabon - page 11

26 IntVG vom 1. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3822). Vgl. auch Jörg-Uwe Hahn: Die Integrationsverantwortung der Länder nach dem Vertrag
von Lissabon und der Begleitgesetzgebung, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hg.): Jahrbuch des Födera-
lismus 2010, Baden-Baden 2010, S. 150−162.
27 Otto Schmuck: Die Europaministerkonferenz der deutschen Länder – Strukturen, Aufgaben, Themenschwerpunkte, in: Europäisches Zen-
trum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hg.): Jahrbuch des Föderalismus 2009, Baden-Baden 2009, S. 489−502, hier S. 501.
28 Roland Johne: Die deutschen Landtage im Entscheidungsprozess der Europäischen Union. Parlamentarische Mitwirkung im europäischen
Mehrebenensystem, Baden-Baden 2000.
29 CALRE = Conférence des Assemblées Législatives Régionales Européennes. Zum Hintergrund: Andreas Kiefer: Gesetzgebende Regional-
parlamente und ihr europäischer Verband: die CALRE, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hg.): Jahrbuch
des Föderalismus 2006, Baden-Baden 2006, S. 606−629. COSAC = Conférence des Organes Spécialisés dans les Affaires Communautaires
et Européennes des Parlements de l’Union Européenne.
30 Andreas Maurer: Statement: Die Rolle der Bundesländer und der Landesparlamente in der Europäischen Union, in: Schleswig-Holsteini-
scher Landtag (Hg.): Föderalismusreform − Ziele und Wege, Kiel 2004, S. 135−147, hier S. 141.
bzw. gelang es der Bundesrepublik Deutschland nicht, die
Verschuldungsgrenzen des Maastrichter Vertrages einzu-
halten und kam es zu finanziellen Strafzahlungen an die EU,
hafteten dafür nicht die mit verursachenden Länder, son-
dern der Bund mit seinem Haushalt. Nach der Föderalis-
musreform I regeln die Artikel 104a (6) Grundgesetz und
Artikel 109 (5) Grundgesetz die Mithaftung der Länder.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum
Lissabon-Vertrag von 2009 brachte den Bundesrat inner-
staatlich neu ins Spiel als „parlamentarischer Wächter“ ge-
gen eine politische Systemverschiebung zugunsten der EU,
und damit als vorbeugenden Kontrolleur gegen weiteren
Europäisierungsdruck. Nach dem Integrationsverantwor-
tungsgesetz
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ist die Zustimmung des Bundesrates (und des
Bundestages) zu Beschlüssen des Ministerrates erforderlich:
beim Nutzen der Flexibilitätsklausel zur Vertragsabrun-
dung auch ohne Kompetenzübertragung durch die Verträ-
ge (AEUV, Art. 352), bei der Entscheidung für das verein-
fachte Vertragsänderungsverfahren des Lissabon-Vertrages,
bei der Brückenklausel, die den Übergang bei Abstimmun-
gen im Ministerrat von der Einstimmigkeit zur qualifizier-
ten Mehrheit erlaubt, und bei der Verhinderung von Mehr-
heitsabstimmungen durch das Notbremseverfahren in den
Politikfeldern soziale Sicherheit und Strafrechtspflege. Ob
der Bundesrat tatsächlich Konflikte mit der Bundesregie-
rung bzw. auch dem Bundestag auf diesen Feldern austra-
gen wird, bleibt abzuwarten.
Eigenständige Politik der Länder in Europa
Die Länder selbst sind inzwischen organisatorisch zurWah-
rung ihrer Interessen in Europa bestens gerüstet. In den
achtziger Jahren erhielten die einzelnen Länderministerien
Europareferenten. Im Oktober 1992 haben sich die Euro-
pabeauftragten der Länder auf der „dritten Ebene“ des Fö-
deralismus als Ständige Konferenz der Europaminister der
Bundesrepublik Deutschland (EMK) konstituiert. Der Vor-
sitz in der EMK wechselt unter den Ländern jährlich in al-
phabetischer Reihenfolge. Die Arbeit der EMK konzen-
triert sich eher auf Grundsatzfragen, die Tagespolitik der
Länder zu EU-Themen wird im Bundesrat koordiniert.
Auch die Landtage haben auf die europapolitische
Herausforderung reagiert. Sie können aufgrund der Ent-
scheidungsabläufe, vor allem des Übergewichts der Län-
derregierungen in der Europapolitik, oft nur am Rande
aktuelle europapolitische Entscheidungen beeinflussen.
Zentrales Instrument zur Verbesserung der europapoliti-
schenMitwirkung der Landtage ist die Einrichtung von Eu-
ropaausschüssen in den Landtagen. Um diese schlagkräftig
zu machen, ist eine möglichst frühzeitige Information der
Ausschussmitglieder zu den Themen der Europapolitik
ebenso nötig, wie − analog zur Europakammer des Bundes-
rates − zumindest in Eilfällen ein Recht zur Entscheidung
der Ausschüsse an Stelle der Landtage in ihrer Gesamtheit,
sowie ein Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse imRahmen
ihres Tätigkeitsbereiches.
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Landtage und deren Europaaus-
schüsse arbeiten inzwischen europaweit in der Versamm-
lung der Parlamente von Regionen mit Gesetzgebungsho-
heit (CALRE) und der Konferenz der Europaausschüsse
(COSAC) zusammen.
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Es wurde bezweifelt, ob Landtage überhaupt in der
Lage sein können, die Informationsflut aus Brüssel zeitnah
und adäquat zu bearbeiten. Als Ausweg aus der Falle
fehlender Mitentscheidungsmöglichkeiten der Landtage
wurde diesen empfohlen, künftig im Hinblick auf Europa
anstelle ihrer Gesetzgebungsfunktion ihre Kommunika-
tionsfunktion in den Vordergrund zu stellen, also häufiger
Europafragen in den Landtagen zu diskutieren.
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Hans-Jür-
gen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungs-
gerichts, sieht einen Weg zur Stärkung der Landtage in der
Europapolitik im Wege von Weisungsrechten der Landtage
im Bezug auf das Abstimmungsverhalten der Landesexeku-
tive. Diese seien „natürlich nicht nur in Bezug auf die
Rechtsakte der Union, sondern auch dann denkbar, wenn es
um die Abstimmung im Bundesrat im Hinblick auf eine
Subsidiaritätsrüge und die Erhebung einer Subsidiari-
Europa der Regionen
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