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Einsichten und Perspektiven 1 | 18
Frontdienst – Heimatdienst – politische Bildung – Ein Jahrhundert Reichszentrale für Heimatdienst
Der langjährige Leiter der RfH, Richard Strahl, befasst
sich in seinem einleitenden Beitrag mit grundlegenden
Fragen. Den Ausgangspunkt der Arbeit der RfH formu-
liert er wie folgt: „Bei der wesentlich erweiterten und
gesteigerten Mitwirkung des Volkes am öffentlichen
Leben liegt es nicht nur im Interesse des Staates, sondern
auch des Staatsbürgers selbst, daß die objektive Unter-
richtung über die Geschehnisse und Zusammenhänge des
politischen Lebens zur Vervollkommnung und Vertiefung
des politischen Wissens und der politischen Urteilsfähig-
keit auch der breiten Massen gewährleistet wird.“
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Da dem „heutigen Staatsbürger“ eine Verantwortung
zugeschoben worden sei, müsse dieser über Sachkenntnis
und Urteilsvermögen verfügen, um der neuen staatsbür-
gerlichen Verantwortung gerecht zu werden. Demnach
habe man dem Staatsbürger auch die Gelegenheit zur
Aneignung von Sachkenntnis und Urteilsvermögen zu
geben. Dieser Gedanke, dass der Staatbürger über die Vor-
aussetzungen verfügen müsse, um seiner Verantwortung
gerecht zu werden, findet seinen Ausdruck, so Strahl, auch
in der Verankerung des staatsbürgerlichen Unterrichts in
der Schule.
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7 Richard Strahl: Arbeit und Organisation des Heimatdienstes, in: Zehn
Jahre Reichsheimatdienst, hg. von der Reichszentrale für Heimatdienst,
Berlin 1928, S. 7-20, hier S. 7.
8 Ebd.
Strahl brachte zum Ausdruck, dass der Krieg und auch
die Entwicklung nach Ende des Ersten Weltkriegs „auch
den letzten Volksgenossen die Augen darüber geöffnet
[habe], wie stark die Entscheidung des Staates in das
Schicksal des Einzelnen eingreift.“ Diese Erkenntnis, dass
das staatliche Handeln direkte Auswirkungen auf den
Einzelnen habe, habe zu einer „raschen Politisierung des
deutschen Volkes beigetragen“.
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Zugleich sei auch deut-
lich geworden, dass für den Einzelnen, der seinen staats-
bürgerlichen Pflichten nachgehen wolle, nicht nur die
„richtige Einstellung gegenüber den Fragen des alltägli-
chen Lebens“ erforderlich, sondern „auch die Kenntnis
der größeren Zusammenhänge nützlich und notwendig“
sei.
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Auch wenn in den Zeitungen oder in öffentlichen
Veranstaltungen über Neuigkeiten berichtet werde, so
müsse man jedoch berücksichtigen, dass Printmedien und
politische Reden immer durch politische Standpunkte
9 Ebd.
10 Ebd.
Ein wichtiges Thema der Reichszentrale waren die Folgen des Versailler
Vertrages wie die Abstimmungen über die östlichen Grenzgebiete oder die
Reparationen.
Foto oben: sz photo/Scherl
Quelle: RfH
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