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Einsichten und Perspektiven 1 | 18

Frontdienst – Heimatdienst – politische Bildung – Ein Jahrhundert Reichszentrale für Heimatdienst

Richard Strahl brachte zwar in einem Rundschreiben

(17. März 1933) an die Mitarbeiter der Reichszentrale sein

Bedauern über die Auflösung der Reichszentrale zum Aus-

druck, wies jedoch darauf hin, dass für deren Fortexistenz

„jetzt keine staatspolitische Notwendigkeit mehr bestehe“,

da der Gedanke einer staatlichen Aufklärungsarbeit im

Reichspropagandaministerium sowohl fortgesetzt werden

könne als auch durch seine Institutionalisierung die ihm

entsprechende Organisationsform gefunden habe.

43

„Der Gedanke einer staatspolitischen Aufklärungs-

arbeit, deren Träger die Staatsführung selbst ist, hat sich

durchgesetzt. Das neue Ministerium für Volksaufklärung

und Propaganda scheint mir dafür der schlagendste Beweis

zu sein. Hat doch der Reichsminister für Volksaufklärung

und Propaganda in seiner ersten amtlichen Erklärung als

sein großes Ziel hingestellt, durch Propaganda und Auf-

klärungsarbeit eine einheitliche nationale Willensbildung

zu bewirken, die auch die bisher der neuen Staatsführung

ablehnend gegenüberstehenden Kreise restlos auf den

Boden der Regierung führen soll.“

44

Der beurlaubte Leiter der Reichszentrale betätigte sich

in den darauffolgenden Jahren als Verfasser eines „Poli-

tische [n] ABC[s] des Neuen Reichs“, das 1938 für den

Gebrauch in der Hitler-Jugend neu aufgelegt wurde.

45

Von der Reichzentrale zur Bundeszentrale für

Heimatdienst

Im Jubiläumsjahr 2018 rückt das Gedenken an 100 Jahre

Reichsheimatdienst möglicherweise in den Hintergrund.

Dies ist verständlich in Anbetracht der zahlreichen Jahres-

tage. Jedoch: eine kritische Auseinandersetzung mit den

Kontinuitäten und Diskontinuitäten deutscher Geschichte

sollte zugleich auch eine Reflexion über die Geschichte der

staatlichen politischen Bildung umfassen. Wie hier am Bei-

spiel der Reichszentrale für Heimatdienst gezeigt wurde,

bewegte sich staatliche politische Bildung immer auch im

Spannungsfeld zwischen staatsbürgerlicher Bildung und

Propaganda, hier vor allem gegen den Versailler Vertrag.

43 Rundschreiben vom 17.03.1933, Staatsarchiv Düsseldorf, AZ Nr. IA

2000/13.3., zit. n. Wippermann (wie Anm. 4), S. 414.

44 Ebd., S. 415.

45 Carl Haensel/Richard Strahl: Politisches ABC des Neuen Reichs. Schlag-

und Stichwörterbuch für den deutschen Volksgenossen, Stuttgart 1933;

dies.: Politisches ABC des Saar-, Grenz- und Auslanddeutschtums. Zweites

Schlag- und Stichwörterbuch für den deutschen Volksgenossen, Stuttgart

1934; dies.: Außenpolitisches ABC. Ein Stichwörterbuch, Stuttgart 1938

[Sonderdruck für den Dienstgebrauch in der Hitler-Jugend]. Unter dem

Stichwort „Judentum“ verbreiten die beiden Autoren hier beispielsweise

den Mythos der „jüdischen Weltverschwörung“.

1952 wurde die heutige Bundeszentrale für politi-

sche Bildung (1952) unter dem Namen Bundeszentrale

für Heimatdienst gegründet – diese Kontinuität in der

Terminologie war nicht zufällig, sondern eine bewusste

Entscheidung. Eine Umbenennung in Bundeszentrale

für politische Bildung erfolgte erst 1963. Der Hinter-

grund einer solchen Umbenennung stand jedoch weder in

Zusammenhang mit einer kritischen Auseinandersetzung

mit der Geschichte der staatlichen politischen Bildung

noch stand die Umbenennung im Kontext einer inhaltli-

chen oder methodischen Umorientierung der staatlichen

Bildungsarbeit. Begründet wurde die Umbenennung vor

allem damit, dass der Begriff „Heimatdienst“ zu Missver-

ständnissen führe.

46

46 Vgl. Hentges (wie Anm. 1), vgl. auch den Beitrag von Veronika Bock und

Ulrich Biermann in der Sendung WDR ZeitZeichen v. 25.11.2017; https://

www1.wdr.de/.../zeitzeichen/audio-bundeszentrale-fuer-politische-bil-

dung-gegruendet [Stand: 12.02.2018].

Wilhelm Ziegler (ganz rechts im Bild) am 1. Dezember 1933 bei einer Sit-

zung im Propagandaministerium

Foto: ullstein bild/Max Ehlert