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Einsichten und Perspektiven 1 | 18
Frontdienst – Heimatdienst – politische Bildung – Ein Jahrhundert Reichszentrale für Heimatdienst
Ruhr etc.) sei Aufklärungs- und Propagandaarbeit sowohl
eine „Volksangelegenheit“ als auch „Staatsnotwendigkeit“.
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Als ersten Leitgedanken formuliert Strahl: „Vornehmste
Aufgabe ist es, die im Deutschen wurzelnde starke Liebe
zur Heimat aufs engste mit dem Gedanken der Volksge-
meinschaft, der Not- und Schicksalsverbundenheit aller
deutschen Stämme, Stände und Staatsbürger und mit
einem gesunden und berechtigten Nationalbewußtsein
zu verknüpfen. […] Fern von jeder Überspannung sind
die nationalen Werte ohne laute Überheblichkeit, aber im
festen Bewußtsein der Unentbehrlichkeit des deutschen
Schaffens und des deutschen Geistes auch für den Welt-
und Menschheitsfortschritt zu betonen.“
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Aus der hier geforderten Verbindung zwischen Hei-
matliebe, Volksgemeinschaft, Not- und Schicksalsverbun-
denheit leitete Strahl die Notwendigkeit einer „Unterstüt-
zung des Deutschtums an unseren bedrohten Grenzen
im Osten, Norden und Westen“ ab.
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Ein „lebendiger
Kreislauf geistigen Lebens“ müsse zwischen den „Zellen
des Deutschtums in der Welt“ und den „Urzellen in der
Heimat“ hergestellt werden.
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In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete Strahl es
als „heilige Pflicht“, darauf hinzuwirken, dass die „unmög-
lichen und unerträglichen Bedingungen, die der Versailler
Vertrag noch immer dem Vaterlande auferlegt“, erträg-
lich gestaltet werden sollten. Erforderlich sei ein Eintre-
ten für die Durchsetzung von „Deutschlands Lebensnot-
wendigkeiten und sein Recht auf Leben und Freiheit“.
Das deutsche Volk müsse verlangen, dass weder seine
„innere Freiheit und Selbstbestimmung“ angetastet noch
seine Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden
dürften, und es müsse das Selbstbestimmungsrecht des
Deutschtums einklagen.
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An diesen zentralen Leitgedanken, an denen sich laut
Strahl die Arbeit der Reichszentrale orientieren solle, wird
deutlich, dass im Zentrum der sog. Volksaufklärung die
Kritik am Versailler Vertrag und Themen wie (Auslands-)
Deutschtum, Volksgruppen, Minderheiten sowie grenz-
landpolitische Fragen standen.
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36 Ebd., S. 474.
37 Ebd., S. 476; Herv. i. O.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Ebd., S. 477.
41 Vgl. zur Begründung der Notwendigkeit einer Politik, die sich vor allem
auf die peripheren Grenzräume konzentriert: Friedrich Ratzel: Politische
Geographie, München/Leipzig 1897.
Als Reaktion auf die Machtübertragung an die NSDAP
und die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler dokumen-
tierte der „Heimatdienst“ in seiner Februarausgabe im
Jahre 1933 das „nationalpolitische Programm“ der NSDAP
und brachte ferner in einem Kommentar, unterzeichnet
mit dem Pseudonym „Spectator“, zum Ausdruck, dass
die Reichszentrale den jüngsten politischen Veränderun-
gen wohlwollend gegenüberstehe. Dennoch wurde sie von
den neuen Machthabern als überflüssig erachtet, zwei Tage
nach Gründung des Reichspropagandaministeriums aufge-
löst und ihr Leiter Strahl am 16. März 1933 beurlaubt. Mit
der Abwicklung der Liquidation wurde Strahls langjähriger
Stellvertreter, Dr. Wilhelm Ziegler,
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betraut, der ins Reich-
spropagandaministerium übernommen wurde und 1943
zum „Judenreferenten“ avancierte.
42 Dr. Wilhelm Ziegler (1891-1962) wurde 1943 zum „Ministerialrat im
Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (‚Judenreferent’)
ernannt und übernahm die Leitung des Berliner Instituts zum Studium der
Judenfrage. Er verfasste u.a. die antisemitische Schrift „Die Judenfrage in
der modernen Welt“ (1937).
Dekret zur Auflösung der Reichszentrale für Heimatdienst vom 18. März 1933
Quelle: Wikimedia Commons