Table of Contents Table of Contents
Previous Page  14 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 14 / 80 Next Page
Page Background

14

Einsichten und Perspektiven 1 | 18

Frontdienst – Heimatdienst – politische Bildung – Ein Jahrhundert Reichszentrale für Heimatdienst

Ruhr etc.) sei Aufklärungs- und Propagandaarbeit sowohl

eine „Volksangelegenheit“ als auch „Staatsnotwendigkeit“.

36

Als ersten Leitgedanken formuliert Strahl: „Vornehmste

Aufgabe ist es, die im Deutschen wurzelnde starke Liebe

zur Heimat aufs engste mit dem Gedanken der Volksge-

meinschaft, der Not- und Schicksalsverbundenheit aller

deutschen Stämme, Stände und Staatsbürger und mit

einem gesunden und berechtigten Nationalbewußtsein

zu verknüpfen. […] Fern von jeder Überspannung sind

die nationalen Werte ohne laute Überheblichkeit, aber im

festen Bewußtsein der Unentbehrlichkeit des deutschen

Schaffens und des deutschen Geistes auch für den Welt-

und Menschheitsfortschritt zu betonen.“

37

Aus der hier geforderten Verbindung zwischen Hei-

matliebe, Volksgemeinschaft, Not- und Schicksalsverbun-

denheit leitete Strahl die Notwendigkeit einer „Unterstüt-

zung des Deutschtums an unseren bedrohten Grenzen

im Osten, Norden und Westen“ ab.

38

Ein „lebendiger

Kreislauf geistigen Lebens“ müsse zwischen den „Zellen

des Deutschtums in der Welt“ und den „Urzellen in der

Heimat“ hergestellt werden.

39

In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete Strahl es

als „heilige Pflicht“, darauf hinzuwirken, dass die „unmög-

lichen und unerträglichen Bedingungen, die der Versailler

Vertrag noch immer dem Vaterlande auferlegt“, erträg-

lich gestaltet werden sollten. Erforderlich sei ein Eintre-

ten für die Durchsetzung von „Deutschlands Lebensnot-

wendigkeiten und sein Recht auf Leben und Freiheit“.

Das deutsche Volk müsse verlangen, dass weder seine

„innere Freiheit und Selbstbestimmung“ angetastet noch

seine Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden

dürften, und es müsse das Selbstbestimmungsrecht des

Deutschtums einklagen.

40

An diesen zentralen Leitgedanken, an denen sich laut

Strahl die Arbeit der Reichszentrale orientieren solle, wird

deutlich, dass im Zentrum der sog. Volksaufklärung die

Kritik am Versailler Vertrag und Themen wie (Auslands-)

Deutschtum, Volksgruppen, Minderheiten sowie grenz-

landpolitische Fragen standen.

41

36 Ebd., S. 474.

37 Ebd., S. 476; Herv. i. O.

38 Ebd.

39 Ebd.

40 Ebd., S. 477.

41 Vgl. zur Begründung der Notwendigkeit einer Politik, die sich vor allem

auf die peripheren Grenzräume konzentriert: Friedrich Ratzel: Politische

Geographie, München/Leipzig 1897.

Als Reaktion auf die Machtübertragung an die NSDAP

und die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler dokumen-

tierte der „Heimatdienst“ in seiner Februarausgabe im

Jahre 1933 das „nationalpolitische Programm“ der NSDAP

und brachte ferner in einem Kommentar, unterzeichnet

mit dem Pseudonym „Spectator“, zum Ausdruck, dass

die Reichszentrale den jüngsten politischen Veränderun-

gen wohlwollend gegenüberstehe. Dennoch wurde sie von

den neuen Machthabern als überflüssig erachtet, zwei Tage

nach Gründung des Reichspropagandaministeriums aufge-

löst und ihr Leiter Strahl am 16. März 1933 beurlaubt. Mit

der Abwicklung der Liquidation wurde Strahls langjähriger

Stellvertreter, Dr. Wilhelm Ziegler,

42

betraut, der ins Reich-

spropagandaministerium übernommen wurde und 1943

zum „Judenreferenten“ avancierte.

42 Dr. Wilhelm Ziegler (1891-1962) wurde 1943 zum „Ministerialrat im

Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (‚Judenreferent’)

ernannt und übernahm die Leitung des Berliner Instituts zum Studium der

Judenfrage. Er verfasste u.a. die antisemitische Schrift „Die Judenfrage in

der modernen Welt“ (1937).

Dekret zur Auflösung der Reichszentrale für Heimatdienst vom 18. März 1933

Quelle: Wikimedia Commons