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Einsichten und Perspektiven 1 | 18
Frontdienst – Heimatdienst – politische Bildung – Ein Jahrhundert Reichszentrale für Heimatdienst
Das Jahr 2018 bietet Anlass, an verschiedene Jahrestage zu erinnern:
am 9. November vor 100 Jahren fand die Novemberrevolution statt,
am 11. November endete der Erste Weltkrieg mit Unterzeichnung des
Waffenstillstandsabkommens, am 12. November erhielten Frauen das aktive
und passive Wahlrecht in der Weimarer Republik, der ersten Demokratie auf
deutschem Boden.
Weniger Aufmerksamkeit hingegen erfährt der 100.
Jahrestag der Gründung der „Reichszentrale für Heimat-
dienst“, die weitgehend in Vergessenheit geraten ist –
jedoch im Kontext einer Studie zu „Staat und politische
Bildung“ nicht ignoriert werden darf.
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Aus der heutigen Perspektive wirkt der Begriff „Hei-
matdienst“ merkwürdig antiquiert, denn er verknüpft den
ambivalenten Begriff „Heimat“ mit dem Begriff „Dienst“.
Während Heimat auf die Beziehung zwischen Menschen
und Raum rekurriert und damit auf den Ort verweist,
an dem die frühe Sozialisation einer Person erfolgt ist,
verweist der „Dienst“ – je nach Interpretation – auf eine
dienende Tätigkeit, auf die Erfüllung von Pflichten und
weckt Assoziationen an eine dienende Haltung des Sich-
Unterwerfens. Der Begriff „Heimatdienst“ legt nahe, dass
der einzelne Staatsbürger der Heimat zu dienen habe.
Vorgeschichte der Gründung der Reichszentrale für
Heimatdienst
Begibt man sich auf die Spurensuche, so landet man im
Deutschen Kaiserreich, genau genommen in der letzten
Phase des Ersten Weltkriegs (1914 - 1918). Zu propagan-
distischen Zwecken wurde eine „Zentrale für Frontdienst“
errichtet, die sich an die kämpfenden Truppen richtete
und deren Kampfmoral und Durchhaltewillen stärken
sollte. Der Unterricht für die Truppe sah vor, dass Dis-
kussionen während der Unterweisungen nicht nur uner-
wünscht, sondern sogar verboten waren.
Die Propaganda im Ersten Weltkrieg hatte zunächst die
kämpfenden Truppen und damit die Kriegsfront im Blick;
ab 1916/1917 gewann die „Heimatfront“ an Bedeutung.
Aus den ersten Anfängen einer Einflussnahme auf die
politische Stimmung innerhalb der Bevölkerung kristalli-
sierte sich schließlich im März 1918 eine organisatorische
Struktur heraus: die Zentrale für Heimatdienst.
1 Vgl. Gudrun Hentges: Staat und politische Bildung. Von der „Zentrale für
Heimatdienst“ zur „Bundeszentrale für politische Bildung“, Wiesbaden
2013.
Folgt man der Aussage des Vorsitzenden des Parlamen-
tarischen Beirats der RfH, Senatspräsident Schulte, so
verdankte sie ihre „Entstehung den politischen Verhält-
nissen und dem Charakter der Volksstimmung, die [sich]
in Deutschland [...] im Sommer 1917 in der Heimatbe-
völkerung entwickelt hatten.“ Schulte traf in seiner Rede
anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Reichszentrale
die Einschätzung, dass die „bisherige Form der Propaganda
und Aufklärung, wie sie das militärische Kriegspresseamt
und die Generalkommandos betrieben“, in der Zivil-
bevölkerung nicht die erhoffte Wirkung hervorgerufen
habe und auch nicht vertrauensvoll angenommen wurde.
Darüber hinaus wollte die Reichsregierung, namentlich
Reichskanzler Graf Hertling, die starke militärische Ein-
flussnahme auf innerpolitische und zivile Angelegenhei-
ten zurückdrängen.
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Adressatin dieser Zentrale für Hei-
matdienst war die sogenannte Heimatfront und es galt,
deren Durchhaltewillen und Kampfgeist zu stärken. In
diesem Prozess vermied es die Reichszentrale absichtlich,
öffentlich als solche aufzutreten. Stattdessen versuchte
sie, durch die „großen innerdeutschen Organisationen
des Volkslebens“ und durch die „großen Berufsorganisa-
tionen der deutschen Arbeiterschaft als den Trägern des
sozialen Lebenswillens“ zu wirken und vermittelte über
diese Organisationen die Stimmung in der Bevölkerung
zu beeinflussen.
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Noch vor der offiziellen Gründung der Reichszentrale
richtete sich die Propaganda in Sachen Heimatdienst auch
speziell an Frauen. So erschien im Jahre 1916 die Schrift
„Heimatdienst im ersten Kriegsjahr“ – mit einer Einfüh-
rung von Gertrud Bäumer – im Jahrbuch des Bundes
Deutscher Frauenvereine.
2 10 Jahre Reichszentrale für Heimatdienst, in: Mitteilungs-Blatt der Lan-
desabteilung Sachsen der Reichszentrale für Heimatdienst, Nummer 5 v.
01.03.1928, 9. Jahrgang, S. 1.
3 Ebd.