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Das Frauenstimmrecht in der Schweiz – Geschichte eines scheinbaren Anachronismus
Einsichten und Perspektiven 1 | 18
Aktionskomitee „Ein Ja für die Frau“, 5. Februar 1971
Foto: Keystone/Keystone Str
kantonaler und kommunaler Ebene die Männerherrschaft
noch bis 1990 an. Frauen durften nur in eidgenössischen
Angelegenheiten an die Urne. Während der Halbkanton
Appenzell Ausserrhoden (AR) sich 1989 für das Frauen-
stimmrecht aussprach, musste das katholisch dominierte
Innerrhoden (AI) dazu im Herbst 1990 auf Grund der
Klage einer Appenzellerin per Bundesgericht gezwungen
werden.
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Der Ausschluss widersprach dem seit 1981 in
der Bundesverfassung verankerten Gleichstellungsartikel,
der dank einer von Frauen lancierten Volksinitiative über-
haupt formuliert worden war. So konnten nun die Frauen
die nicht für sie gedachten direktdemokratischen Rechte
der Schweiz für ihre Interessen nutzen. Und sie scheuten
sich auch nicht mehr, sich groß in Szene zu setzen.
26 Vreni Mock: Aus eigener Kraft? – Der lange Weg der Appenzellerinnen zur
politischen Gleichberechtigung, in: FrauenLeben Appenzell. Beiträge zur
Geschichte der Frauen im Appenzellerland, 19. und 20. Jahrhundert, hg. v.
Renate Bräuniger, Herisau 1999, S. 340–375, hier S. 347 f.
Im Jubiläumsjahr 1991 folgten rund eine Million
Frauen im Rahmen der angelegten 700 Jahre Ursprungs-
mythos Feier der Schweiz unter der Parole „700 Jahre
Eidgenossenschaft, 20 Jahre Frauenstimmrecht, 10 Jahre
Gleichstellung“ am 14. Juni mit verschiedensten Aktionen
dem Aufruf zum landesweiten Frauenstreik. Neben dem
8. März gilt bis heute der 14. Juni als spezifisch schweize-
rischer Frauentag, mit dem formale Gleichstellung in der
Familie, in der Ausbildung und im Beruf, insbesondere
bezüglich Lohngleichheit, endlich auch konkrete Realität
wurde.