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Geformt aus Lehm und Sand – eine Zwischenbilanz zur postkolonialen Situation Malis

Einsichten und Perspektiven 4 | 17

Zu diesem Zeitpunkt formte sich die „Nationale

Bewegung für die Befreiung des Azawad“ (MNLA), eine

Rebellion gegen die malische Regierung, deren Ziel die

Unabhängigkeit des „

Azawad

“-Gebietes im Norden Malis

ist. Am 21. März 2012 putschte das Militär, was zum

Sturz der Regierung des Präsidenten Amadou Toumani

Touré führte. Ab Juni 2012 geriet die MNLA in Konflikt

mit den islamistischen Gruppierungen „

Ansar Dine

“ und

der „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“

(MUJAO), nachdem diese mit der zwangsweisen Einfüh-

rung der Scharia in Azawad begonnen hatten.

Wenige Monate später, im Januar 2013 sah man sich in

Mali mit der Gefahr konfrontiert, dass die Armee ausein-

anderbrechen könnte. Konsequenz eines möglichen Kol-

lapses der malischen Streitkräfte war, dass es den radikalis-

lamistischen Gruppierungen möglich gewesen wäre, bis in

die Hauptstadt Bamako durchzumarschieren.

Diese Situation veranlasste Frankreich dazu, dem Staat

Mali militärische Unterstützung zukommen zu lassen.

Ende Januar 2013 eroberten französische und malische

Truppen mehrere, von den radikalislamistischen Gruppen

besetzte Städte zurück, darunter die strategisch wichtigen

Städte Gao und Timbuktu. Zur gleichen Zeit verstärkten

mehrere westafrikanische Staaten der „

Economic Commu-

nity of West African States

“ ( ECOWAS ), die im Rahmen

der Operation „

African-led International Support Mission

to Mali

“ ( AFISMA ) Truppen zur Verfügung gestellt hat-

ten, ihre Kontingente. Ebenso beschloss der Deutsche

Bundestag eine Beteiligung an der Mission „AFISMA“

durch die Bundeswehr. Die Beteiligung hält bis heute an

und wurde stetig ausgebaut.

Wie konnte es in einem Land, das lange Jahre als west-

afrikanisches Musterland für die Einführung demokra-

tischer Strukturen galt und proklamiert wurde, zu einer

solchen Entwicklung kommen? Welche kulturellen Ver-

änderungen sind im Lande bereits ablesbar? Führen diese

Veränderungen lediglich zu einem Verlust von Kulturgut,

oder stecken - ohne zynisch klingen zu wollen – in diesen

Prozessen auch Zukunftspotenziale? Mit diesen Fragen

möchte sich der vorliegende Text beschäftigen.

Zur Historie

Die Grenzen des Staatskonstruktes, das wir als „Mali“

bezeichnen, sind im Wesentlichen das Ergebnis französi-

scher Kolonialpolitik. Aus dem „

Soudan Français

“, einer

der sieben Kolonien Französisch-Westafrikas, wurden

im Zuge der Dekolonisation die heutigen Staatsgrenzen

festgelegt. Diese Grenzen haben mit ethnischen Räumen

wenig bis gar nichts zu tun.

Heute setzt sich die Bevölkerung Malis aus rund 30

verschiedenen Ethnien, Sprachen und Kulturen zusam-

men, die sich aber auch in den sieben benachbarten

Nationen Malis finden lassen. Das Land ist ca. 1,24 Mio

km

2

– und damit ungefähr dreieinhalb Mal so groß wie

Deutschland.

1

Der Norden des Landes, sowie die süd-

lich angrenzende Sahelzone umfassen ca. 60 Prozent der

Fläche des Staates Mali. 1992 einigte man sich darauf,

dieses Gebiet, in dem die Städte Gao, Timbuktu und

Kidal liegen, „

Azawad

“ zu nennen. Die Einwohnerzahl

beträgt rund 18,69 Mio. Menschen.

2

Mit rund 500.000

Binnen- und 150.000 Flüchtlingen migrieren aktuell 3,5

Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes.

3

Nachdem

der Norden, in dem die kriegerischen Unruhen seit mehr

als fünf Jahren stattfinden, im Vergleich zum Süden deut-

lich weniger dicht besiedelt ist, dürfte der Anteil auf die

Region „

Azawad

“ bezogen deutlich höher liegen.

1

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laender-

infos/01-Laender/Mali.html [Stand: 01.11.2017].

2

https://esa.un.org/unpd/wpp/DataQuery/

[Stand: 02.11.2017].

3

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/58771.pdf

[Stand:

01.11.2017].