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Einsichten und Perspektiven 4 | 15

erstes verteidigt wurde, konnte auch sie mit Türmen ver-

sehen sein. Davor verlief der Graben, wodurch die erste

Mauer von außen beträchtlich höher war als von innen.

Der Nördlinger Graben war teils trocken, teils mit Wasser

gefüllt. Vor dem Graben war ein Erdwall aufgeschüttet,

der Palisaden haben konnte. Andernorts gab es auch dop-

pelte Graben-Wall-Systeme oder sogar einen doppelten

Zwinger. Die Mauer war durch fünf Stadttore geöffnet.

Vor den Toren führten Steinbrücken über den Graben, die

jeweils von mehreren Bögen getragen wurden. Das letzte

Stück unmittelbar vor der Mauer bestand aus einer hölzer-

nen Zugbrücke. Schwere hölzerne Torflügel und zusätz-

liche Fallgitter konnten den Zugang abriegeln. Jedes Tor

war durch einen Torturm gesichert. Andere Städte hatten

Flankentürme. Vorwerke, eine Art Burg, schützten Brü-

cke und Tor schon im Vorfeld. Die Türme kragten aus

der Stadtmauer heraus, um tote Winkel zu vermeiden.

Besonders stark und auch mit Vorwerken versehen waren

der Untere und der Obere Wasserturm. Denn wo die Eger

hinein- oder aus der Stadt herausfloss, war eine verwund-

bare Stelle. Über den Graben wurde der Fluss durch einen

hölzernen Trog geleitet.

In welchen Bauabschnitten die Mauer in Nördlingen

errichtet wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht ist man ähn-

lich vorgegangen wie die Ulmer beim Bau ihrer fast drei-

einhalb Kilometer langen Mauer (etwa ab 1316). Aller-

dings hatten diese es besonders eilig, weil sie damals im

Konflikt mit Ludwig dem Bayern lagen, denn sie hatten

als einzige Stadt Schwabens bei der Doppelwahl 1314

den Habsburger Friedrich den Schönen unterstützt. Die

Ulmer hoben zuerst einen Graben aus und füllten ihn

mit Wasser der Blau. Mit dem Aushub wurde ein Wall

aufgeworfen. Gleichzeitig bauten sie eine einfache Mauer

mit Toren, vier großen und einigen kleinen Türmen. Das

alles geschah in großer Eile unter Beteiligung aller Bewoh-

ner, Patrizier und einfachen Leute, Männer und Frauen.

Gleich nach Fertigstellung dieses Bauabschnitts wurde

eine zweite Mauer errichtet, die eigentliche Stadtmauer.

Sie verlief fünf bis sechs Meter innerhalb der ersten, die

somit zur Zwingermauer wurde. In einem dritten Bauab-

schnitt wurde der Schutz der Tore verstärkt.

23

Die Mauer – ein Bauwerk für die Freiheit

Viele kleine Städte konnten keinen Festungsbau betreiben,

um einen wirklich starken Feind abzuwehren. Die Mauer

ermöglichte, zu kontrollieren, wer die Stadt betrat. Man

konnte sich vor den Fehden adliger Nachbarn schützen

oder einer Belagerung kurzzeitig standhalten, bis Hilfe

23 Vgl. Herbert Wiegandt: Ulm. Geschichte einer Stadt. Weißenhorn 1977,

S. 60 f., und Hans Eugen Specker: Reichsstadt und Stadt Ulm. In: Der

Stadtkreis Ulm, Ulm 1977, S. 41.

Deininger Torturm und die Mauer zwischen Löpsinger und Deininger Tor in

Nördlingen. Mittelalter und Gegenwart: Im ehemaligen Graben sind Gärten

angelegt. Wo einst der Zwinger war, stehen kleine Häuschen; sie haben die

Stadtmauer als Rückwand. Auf dem einstigen Wall verläuft ein Fußgängerweg.

Foto: Siegfried Münchenbach

Wehrgang der Nördlinger Stadtmauer zwischen Löpsinger Tor und Unterem

Wasserturm

Foto: Siegfried Münchenbach