Table of Contents Table of Contents
Previous Page  47 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 47 / 80 Next Page
Page Background

47

Einsichten und Perspektiven 4 | 15

Bastei verstärkt. Auf der gleichen Seite wie die Alte baute

man 1607–1613 die Neue Bastei, ein Fünfeckbau mit

Geschützen auf drei Ebenen. Etwa um diese Zeit vollen-

dete Rothenburg die Spitalbastei. Um eine Stadt noch stär-

ker zu befestigen, wurden Steinschanzen vor Graben und

Wall hochgezogen oder, wie in Nürnberg, weit an die Peri-

pherie gelegt. Es waren Drei- und Fünfeckschanzen oder

Polygonalbasteien, die einen vollständig mit Defensivar-

tillerie geschützten Ring bilden konnten. Sie haben auch

das äußere Bild der Stadt völlig verändert. Wenn man sich

ihr näherte, sah man nicht die turmreiche mittelalterliche

Mauer, sondern stieß auf ein System gemauerter Wälle.

Keine Mauern im Kopf

Wofür steht die mittelalterliche Stadtmauer? Für Enge

und Beschränkung oder für Freiheit, Sicherheit und Bür-

gerstolz. In der mittelalterlichen Sicht stand wohl eher

Letzteres im Vordergrund. Die Mauer bot Schutz in fried-

loser Zeit, die das Gewaltmonopol noch nicht kannte.

Hinter den Mauern galt die Herrschaft des Rechts und

nicht die Willkür der Fehde. Die Stadtmauer war nicht

nur funktional im militärischen Sinn; sie erfüllte auch

Repräsentationsbedürfnisse. Zu den Kosten für den Mau-

erbau gehörten auch die Honorare für Malermeister, die

den Reichsadler an einem Tor erneuern oder ein religiöses

Motiv anbringen durften. Hinter Mauern zu leben, bedeu-

tet nicht, eine solche auch im Kopf zu haben. Jedenfalls

die politischen und wirtschaftlichen Eliten haben euro-

päisch gedacht. Man muss sich nur Kaufmannskarrieren

im Hanseraum oder auch in Süddeutschland anschauen.

Städte, von denen hier mehrfach die Rede war, wie Nürn-

berg, Augsburg, Ulm oder Nördlingen, haben für einen

europäischen Markt produziert und hatten einen ent-

sprechend weiten Horizont. Ist etwas von der positiven

Konnotation der mittelalterlichen Stadtmauer geblieben?

Wir schützen unsere Anwesen, nicht unbedingt durch

eine Mauer (wie dies bei Objekten des Reichtums in Län-

der der Dritten Welt geschieht), aber durch Hecken und

Zäune und markieren den Bereich, in dem wir frei, sicher

und unbehelligt sein wollen.

Stadtseitige Ansicht der Nördlinger Mauer am Deininger Tor. Am Deininger Torturm wurden 1519 die oberen Stockwerke abgetragen und durch einen runden

Aufbau ersetzt. Vom gotischen Turm mit quadratischem Grundriss sind die unteren Stockwerke erhalten.

Foto: Siegfried Münchenbach