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Einsichten und Perspektiven 4 | 15

Landeszentrale:

Welche Rolle hatten bis 1989 politische Themen in Ihrem Alltag bzw. im Alltag Ihrer Familie?

Deutsche Demokratische Republik Bezirk Erfurt – Zwei Frauen unterhalten

sich unter einem Propaganda-Plakat zum Karl-Marx-Jahr, 1983

Foto: ullstein bild – gerig

Meine Familie (Ost) war sehr gut über das politische

Geschehen in beiden Teilen Deutschlands informiert. Es

wurde im ganz Privaten viel und kritisch diskutiert. Zu

meinem Alltag gehörten die Nachrichtensendungen „Aktu-

elle Kamera“, „Schwarzer Kanal mit Karl-Eduard von

Schnitzler“, ZDF „heute“ und die ARD Tagesschau. Und

wir hörten die Top-Ten auf Bayern 3 und den Deutsch-

landfunk.

Schon in der Schulzeit war Politinformationen mon-

täglich eine Stunde gewidmet. Wir wussten, wir befan-

den uns im Kalten Krieg, waren geschult im Umgang

mit chemischen und biologischen Kampfwaffen, konnten

Bunker bauen, hatten eine Erste Hilfe- Ausbildung und

wir konnten marschieren. Aber nahmen wir eine kriti-

sche Haltung ein, war Vorsicht geboten. Misstrauen wurde

uns unbewusst anerzogen. Was kann ich sagen und was

schluck’ ich lieber runter. Damit wurde schon früh der

Grundstein für politisches Denken gelegt. Privat lief das

etwas anders. (*1966)

Politische Themen spielten sowohl für mich

wie für meine Familie eine erhebliche Rolle.

Bis zum Fall der Mauer bzw. der Entwick-

lung in der ehemaligen Sowjetunion spielten

jedoch außenpolitische Themen eine größere

Rolle als die Inlands- oder deutsch-deutsche

Politik. (*1961)

Die Teilung Deutschlands war immer präsent.

Durch familiäre Verbindungen in die DDR kann-

ten wir deren Eigenheiten und Besonderheiten.

Als Landwirte bewirtschafteten wir in der Nach-

kriegszeit Felder in der Nähe der Grenze, die im

Eigentum von Bürgern der DDR waren. Als Pacht

erhielten sie am Jahresende Päckchen mit Kaffee,

Schokolade, Stoffe und Gewürze. (*1953)

Landeszentrale:

Wie haben Sie den Osten/den Westen in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung wahrgenommen?

Direkt nach dem Fall der Mauer habe ich als Student Kurse für Rech-

nungswesen privater Schulungsinstitute zur Weiterqualifizierung für

Ostberliner gegeben. Dadurch kam ich zum ersten Mal mit vielen Ost-

deutschen in Kontakt und habe auch die Vorbehalte gegenüber Westdeut-

schen direkt selber gespürt. Es gab aber auch viel Interesse und Fragen

zum „Westen“. Interessant war auch unter den Kursteilnehmern die Aus-

grenzung derjenigen, die mit der Stasi kooperiert haben sollen. Ich bin in

Bonn aufgewachsen und habe dort mein Abitur gemacht, als Bonn noch

Hauptstadt war. Vor und nach dem Fall der Mauer studierte ich inWest-

berlin. Dadurch habe ich die unterschiedlichen Sichtweisen der Bonner

und der Berliner zur Hauptstadt-Diskussion intensiv miterlebt. (*1967)

Nach der Euphorie kam die Ernüchterung.

Die versprochenen „blühenden Landschaf-

ten“ ließen sich nicht aus der Portokasse

bezahlen. Deshalb habe ich als Bürgermeis-

ter durch enge und regelmäßige Kontakte zu

den Bürgermeistern der neuen Bundeslän-

der eine interkommunale Zusammenarbeit

gegründet, die noch heute erfolgreich arbei-

tet. (www.

Initiative-rodachtal.de

) (*1953)