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Einsichten und Perspektiven 4 | 15

von ihren Gebieten ausgehenden Terror zu unterbinden.

Dies gelang nicht oder wurde aus verschiedenen Gründen

von verschiedenen Seiten so auch nie angestrebt.

Der von den deutschen Bischöfen strapazierte Vergleich

der von Israel abgeriegelten Autonomiegebiete mit den

Ghettos während der nationalsozialistischen Judenverfol-

gung ist falsch und – angesichts dessen, was diese Ghettos

waren – auch historisch höchst fragwürdig.

Freilich trifft die Abriegelung die palästinensische „Nor-

malbevölkerung“ hart und in hohem Maße. Das Westjord-

anland und der Gazastreifen könnten allerdings als Gemein-

wesen und als Wirtschaftsräume gedeihen – und tun dies

teils auch. Aber die hier herrschenden ökonomischen und

politischen Mechanismen entbehren jeglicher sozialen

Komponente, der auf wenige konzentrierte Reichtum ist

immens, Korruption und Nepotismus sind epidemisch.

Die automatisierten Fördermechanismen der EU-Staaten

sichern und perpetuieren eine mit Händen zu greifende

Antriebslosigkeit; von einem von der EU bezahlten Poli-

zisten in Jericho leben mehrere Familien. Anstatt gangbare

Wege aus der Unmündigkeit anzustreben, verharrt Palästina

in der Fokussierung auf die Abriegelung durch die Mauer.

Die Araber in den Gebieten jenseits des Zauns werden von

Israel nicht gehindert, sich als Gemeinwesen zu organisie-

ren und Staatlichkeit zu begründen; dies gelingt aber nicht,

solange sich die arabische Welt selbst paralysiert und von

Terrorgruppen im eigenen Land in Haft genommen wird.

Dass Israel inmitten solcher Nachbarschaft überhaupt noch

lebt, verdankt es nicht nur, aber auch dem Sicherheits-

zaun. Dass die derzeitige israelische Regierung jüdische

Siedlungen jenseits des Zauns – also in den palästinen-

sischen Autonomiegebieten – duldet und Siedlungsbau

weiterhin unterstützt, verschärft allerdings den Konflikt.

Der Sicherheitszaun ist eine harte Grenze, die abge-

schafft wird, wenn es der Autonomiebehörde gelingt,

Sicherheit für den Nachbarn Israel zu garantieren. Im

Blick auf die jüngeren Entwicklungen im arabisch-mus-

limischen Raum ist der Zeitpunkt, an dem Mauer und

Zaun überflüssig werden, nicht absehbar. Israel hat sich

vielmehr entschlossen, auch die Grenze zu Jordanien in

ähnlicher Weise zu sichern, – eine Präventivmaßnahme,

falls es dem haschemitischen Königreich nicht gelingt, das

syrische Inferno von sich fernzuhalten.

Nachtrag:

Die seit Oktober 2015 in Israel zu verzeichnenden Atta-

cken – denen mittlerweile 22 Menschen zum Opfer gefal-

len sind, vor allem Juden, aber auch Araber – werden wohl

auch von Tätern ausgeführt, die in Israel leben. Hier steht

der israelische Staat in anderer Weise in der Pflicht: Die

eigenen Bürger, auch und gerade die arabischen, brau-

chen Perspektive, brauchen Integration. Die politischen

Akteure in Ramallah hängen sich an dieses neue innerisra-

elische Phänomen wohl eher an, legitimieren in blutrüns-

tiger Rhetorik die Mordtaten und benennen Fußballtur-

niere in ihren Schulen nach Attentätern.

Sicherheitszaun an der Autobahn westlich von Jerusalem

Foto: Gudrun Rapke