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Katar: Im Anfang war das Öl

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

erstaunlich wirksames Image. Dabei nahm die Familie zwei

Umwege: die Medien und den Sport. „Wettbewerbe und

Athleten helfen, Katars regionales und globales Profil zu

stärken“, heißt es dazu bezeichnend in einem katarischen

Strategiepapier für den Sportsektor 

24

. Um international

in hellstem Licht zu glänzen, bemüht sich Katar wie am

Fließband um internationale Sportgroßereignisse – und

das mit Erfolg. In diesem Jahr wurde die Männerhandball-

WM in Doha ausgetragen, es folgen: die Turn-WM 2018,

die Leichtathletik-WM 2019 und als Krönung die Fuß-

ball-Weltmeisterschaft 2022. 

25

Der Fußball als internati-

onal bedeutendste Sportart ist zentral in Katars Strategie,

was sich auch daran zeigt, dass Unsummen in Vereine und

Stars investiert werden: 

26

Mit äußerst lukrativen Verträ-

gen verpflichtet das Emirat Spitzensportler insbesondere

aus Europa; einen ganzen Verein – Paris Saint Germain –

kaufte man am Golf und investierte mehrere 100 Millio-

nen in neue Spieler. Seit 2011 tragen außerdem die Spieler

des FC Barcelona erstmals in ihrer Vereinsgeschichte ein

Sponsorenlogo auf dem Trikot: zunächst das der

Qatar

Foundation

, später folgte die Fluggesellschaft

Qatar Air-

ways

. Der fünfjährige Werbedeal kostete 170 Millionen

Euro und sichert Katar weltweite Präsenz.

Al Jazeera

– Medium der Propaganda?

Für die arabische Welt hatte sich Katar eine spezielle Stra-

tegie ausgedacht: Das Emirat gründete 1996 den Fern-

sehsender

Al Jazeera

, arabisch: „die Halbinsel“. Heute

erreichen dessen Programme mehrere hundert Millionen

Menschen täglich. Der Sender überraschte zunächst mit

ungewöhnlich freien und unzensierten Berichten; sogar

Israelis kamen darin zu Wort – eine Ausnahme in der ara-

bischen Hemisphäre.

Al Jazeera

-Journalisten mussten sich

gar Vorwürfe gefallen lassen, als westliches Propaganda-

werkzeug zu dienen. 

27

Haltbar war die Kritik aber kaum,

was vielleicht am eindrucksvollsten eine der beliebtesten

Sendungen im Programm bewies: In

Al-Sharia wa l-Hayat

(arabisch für „Die Scharia und das Leben“) trat regelmä-

ßig der sunnitisch-reaktionäre ägyptische Islamgelehrte

und TV-Mufti Yussuf al-Qaradawi auf, der die Todesstrafe

für Homosexuelle predigte und Selbstmordattentate gegen

Israelis und Amerikaner rechtfertigte. 

28

Außenpolitisch

liegt al-Qaradawi jedoch ganz auf Linie des katarischen

Herrscherhauses. Die teuer finanzierte Glaubwürdigkeit des

Senders fand denn auch spätestens mit seinem Umgang mit

den Protesten in den arabischen Ländern seit 2011 

29

ein

jähes Ende.

Al Jazeera

stellte sich zunächst, wie auch die überwie-

gende Mehrheit der europäischen und amerikanischen

Kommentatoren, klar auf die Seite der Protestierenden

in Tunesien und Ägypten. Dabei machte er keinen Hehl

daraus, welche oppositionellen Kräfte man favorisierte:

Die islamistischen Gruppen wurden medial unterstützt,

insbesondere die ägyptischen Muslimbrüder. 

30

Im Juli

dieses Jahres standen in Al Sisis Kairo Journalisten des

Senders

Al Jazeera

wegen Unterstützung von „Terroris-

ten“ – der Muslimbrüder – vor Gericht und warteten

auf das letztgültige Urteil. 

31

Einer von ihnen, Moha-

med Fahmy, schrieb in einem Beitrag für die

New York

Times, 

32

der Sender habe die Journalisten seines eng-

lischsprachigen Programms gegen deren Willen und

ohne dass sie dies gewusst hätten, für Propagandazwecke

missbraucht. Die produzierten Beiträge seien für das

arabischsprachige Programm falsch übersetzt, aus dem

Zusammenhang gerissen und auf diese Weise mit einer

mit den Muslimbrüdern sympathisierenden Propaganda

versetzt worden. Fahmy verklagt

Al Jazeera

deshalb auf

Schadensersatz. Unterdessen musste er eine dreijährige

Haftstrafe in Ägypten antreten.

FAZ

-Journalist Michael

Hanfeld kommt zu einem vernichtenden Urteil über

den Sender: „Al Dschazira ist mitnichten der ehrliche

Makler, als den das Herrscherhaus von Qatar den Sender

gerne ausgibt, sondern ein Instrument der Außenpoli-

tik, das seine Nachrichtengebung an strikten politischen

Vorgaben ausrichtet, also Propaganda reinsten Wassers

betreibt“. Die Entwicklung des Senders in diese Rich-

24 Vgl. Max Bosse: Einkaufen muss sich lohnen, in: zenith. Zeitschrift für den

Orient, März/April 2014, S. 73.

25 Über die Umstände der FIFA-Wahl wurde breit berichtet. Hervorgehoben

werden kann die ARD-Dokumentation „Der verkaufte Fußball“ vom Mai

2015, die aufschlussreich die korrupten Strukturen der FIFA offenlegt.

26 Hier und im Folgenden: Bosse (wie Anm. 24).

27 Vgl. Christian Meier: The Show Must Go on, in: Daniel Gerlach u. Christian

H. Meier (Hg.): Der Nahe Osten in hundert Köpfen. Biografische Skizzen zu

Zeitgeschichte und Gegenwart, Bonn 2012, S. 189.

28 Vgl. Daniel Gerlach: Was sagt die Scharia?, in: Daniel Gerlach u. Christian

H. Meier (Hg.): Der Nahe Osten in hundert Köpfen. Biografische Skizzen zu

Zeitgeschichte und Gegenwart, Bonn 2012, S. 138–140.

29 Ausführlich über das Verhältnis Katars zum „Arabischen Frühling“: Kristian

Coates Ulrichsen: Qatar and the Arab Spring, London 2014.

30 Wie auch von der offiziellen Politik in Doha: Guido Steinberg: Katar und

der Arabische Frühling. Unterstützung für Islamisten und antisyrische

Neuausrichtung, in: SWP-aktuell 7, Februar 2012.

31 Hier und im Folgenden vgl. Michael Hanfeld: Qatar macht Journalisten zu

Kanonenfutter, in: FAZ vom 29.07.2015, S. 13.

32 Mohamed Fahmy: How Qatar Used and Abused Its Al Jazeera Journa-

lists, in: The New York Times, 2.6.2015, online:

http://www.nytimes

.

com/2015/06/03/opinion/mohamed-fahy-how-qatar-used-and-abused-

its-al-jazeera-journalists.html?_r=0 [Stand: 17.09.2015].