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Katar: Im Anfang war das Öl

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

Die

Ali bin Hamad Al Attiya Arena

(im Bild als Baustelle im Januar 2014) ist für die Handball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar, die im Januar 2015

stattfand, im Dohaer Stadtteil

Al Sadd

gebaut worden. Auch Bilder dieses Stadions wurden in der internationalen Berichterstattung als vermeintliche Fußball-

WM-Baustellen ausgegeben – jedoch als solche noch gar nicht existierten.

der Staat – trotz vorübergehender Differenzen – stets enge

Beziehungen. Die meisten Katarar sind heute Wahhabi-

ten – das saudische Modell der islamischen Religion – und

damit Anhänger einer besonders rigiden und vielmals als

„Sekte“ bezeichneten Form des sunnitischen Islam, der als

Staatsreligion festgelegt ist. 

22

Der religiösen Homogeni-

tät der Katarer steht eine umso beeindruckendere Vielfalt

an Religionen innerhalb der Gastarbeiterschaft im Land

gegenüber: Sie sind Schiiten, Hindus, Christen, Juden.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat eine

Macht auf den Plan, mit der man bisher am Golf nicht

gerechnet hatte: Das Osmanische Reich erhob Anspruch

auf die katarische Halbinsel und besetzte Teile des Landes.

Der Al Thani-Clan sah sich genötigt, die Hilfe der Wah-

habiten zu suchen. Ibn Saud, als Urvater Saudi-Arabiens

gehandelt, führte die Bewegung, die zum Ziel hatte, die

Osmanen vom Golf zu verdrängen, an. Doch Großbritan-

nien wollte den Einfluss der beiden Konkurrenzmächte

eindämmen und schritt schließlich 1913 in den Konflikt

ein. 1915 verließen die letzten osmanischen Truppen

Katar. England wahrte seinen politischen und wirtschaft-

lichen Einfluss, was sich langfristig rechnen sollte: In den

späten 1930er Jahren wurde das erste Erdölvorkommen

in Katar entdeckt. Die kommerzielle Förderung setzte

angesichts einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Krise in

der Region umgehend ein; seinen Export startete Katar

jedoch des Zweiten Weltkriegs wegen erst 1949. Mit dem

Ölboom setzte schlagartig die Modernisierung des Lan-

des ein. Die Erdölförderung habe Katar erst „die Mittel

verschafft, Staa[t] zu werden“, davor sei es ein „Zwischen-

ding“ zwischen lokaler Kleinherrschaft und Seekolonie 

23

gewesen, schreibt Arnold Hottinger. Die tatsächliche

Staatswerdung Katars erfolgte im Zuge der allgemeinen

Entkolonialisierung und eines gewachsenen Selbstbe-

wusstseins der Al Thanis im Herbst 1971. Die Al Thanis

ergriffen offiziell den Titel „Emir“ und die Dynastie hält

ihre Macht bis heute: Bisherige Staatsstreiche und Macht-

wechsel fanden stets innerhalb der Familie statt.

Die Macht des Emirats stützt sich heute weniger auf

eine lange historische Tradition wie etwa die der irani-

schen Nachbarn oder auf seine schiere Größe wie etwa in

Saudi-Arabien: Der Reichtum und das Selbstbewusstsein

des Al Thani-Clans verschaffte dem kleinen Staat Katar ein

22 Als Hauptquelle der katarischen Gesetzgebung gilt die Schari’a, Blasphemie

in der Öffentlichkeit kann Haftstrafen von bis zu sieben Jahren nach sich

ziehen.

23 Hottinger (wie Anm. 12), S. 268.