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Katar: Im Anfang war das Öl
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
tung hatte bereits 2012 den früheren Berlin-Korrespon-
denten Aktham Suliman dazu bewogen, seinen Job nach
zehn Jahren aufzugeben.
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Lange schien die Position
Al Jazeeras
im sogenann-
ten „Arabischen Frühling“ offensichtlich: Man wendete
sich gegen die autokratischen arabischen Herrscher und
verteidigte sogar die militärische Intervention in Libyen
und den Sturz Muammar al-Gaddafis. Bis heute spricht
sich Katar auch konsequent und entschieden gegen das
syrische Assad-Regime aus und unterstützte tatkräf-
tig dessen diplomatische Isolation. Als die Proteste der
Menschen aber am Golf ankamen, wurde die katarische
Strategie – und damit auch die Linie des Senders
Al
Jazeera
– brüchig. Angesichts der Proteste in Bahrain gab
man sich auffällig zurückhaltend: Der Primat der eige-
nen Staatsinteressen Katars wurde augenscheinlich. Der
Herrscher in Doha war weit davon entfernt, aufsässige
Bürger am Golf zu dulden – zumal die eigene Machtposi-
tion als Minderheit im eigenen Land zuweilen unkalku-
lierbar erscheint.
Die arabischen Proteste brachten auch eine feine
außenpolitische Balance ins Wanken, die Katar über Jahre
aufrechtzuerhalten imstande war. Es lag dem Emirat viel
daran, sowohl zu den Vereinigten Staaten und seinen Ver-
bündeten wie etwa Saudi-Arabien als auch zu Iran gute
Beziehungen zu pflegen.
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Seit 1998 ist Katar Sitz des
Hauptquartiers der US-Truppen in Nahost; im Irak-Krieg
von 2003 fungierte es als Kommandozentrale der Ame-
rikaner. Gleichzeitig gilt der Staat als Financier von Sala-
fisten und islamischen Extremisten. Immer wieder wird
Katar die Unterstützung von als terroristisch eingestuften
Gruppen wie etwa der
Hamas
in Gaza oder der somali-
schen
Al Shabaab
-Milizen vorgeworfen. Neuerdings wird
Katar auch im Zusammenhang mit der sich selbst zum
„Islamischen Staat“ ernannten Schreckensherrschaft in
Teilen des Irak und Syriens genannt.
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Der Staat distan-
ziert sich stets davon, wird aber von vielen Beobachtern
für unglaubwürdig gehalten. Selbst wenn keine direkten
staatlichen Gelder in die Finanzierung der genannten
Gruppen fließen und die Unterstützung einzig von Privat-
leuten ausgeht,
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weigert sich das Land doch weiterhin,
die Beteiligung eigener Staatsbürger an Kämpfen im Aus-
land sowie den Aufruf zu einer solchen Beteiligung unter
Strafe zu stellen. Diese Missachtung der UNO-Resolution
2170 hat zur Folge, dass die Werbung, Rekrutierung von
Kämpfern und finanzielle Unterstützung des sogenannten
„Islamischen Staats“ in Katar ohne strafrechtliche Konse-
quenzen möglich sind.
„Noch keinen Sklaven gesehen“ –
Kritik und Kritikfähigkeit
Die internationale Kritik an Katars Politik – insbesondere
aus den europäischen Staaten, die sich mit einer drama-
tisch gestiegenen Anzahl an Kriegsflüchtlingen konfron-
tiert sehen – erfuhr erst in den vergangenen Monaten
einen Höhepunkt, als die Frage aufkam, warum die rei-
chen Golfstaaten in ihren eigenen Ländern keine arabi-
schen Flüchtlinge aufnehmen, obwohl sie in die Konflikte
in der Region eingreifen und sich wie Katar als Anwälte
der protestierenden Völker gebärden. Die Direktheit der
europäischen Kritik – sei es wegen der Außenpolitik oder
auch der Missachtung der Menschenrechte im eigenen
Land – ist den Katarern, die tief in der arabischen Kultur
verwurzelt sind, in der eine sehr viel indirektere Art der
Kommunikation gepflegt wird, als es hierzulande üblich
ist,
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zutiefst zuwider und suspekt. Das Land, das so ambi-
tioniert am eigenen Image arbeitete, versteht die Welt
nicht mehr. Christopher Newman von der
Qatar Found-
ation
bringt es auf den Punkt, wenn er im Interview über
die Berichterstattung zur Gastarbeitersituation in Katar
sagt: „Vorwürfe anzubringen wird Ihnen nicht die richtige
Antwort einbringen.“
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Es hänge davon ab, wie man die
Botschaft überbringt.
Dass in Katar Menschen unter untragbaren Zuständen
leiden, steht außer Frage. Bei näheremHinsehen erweist sich
aber auch manche Medienberichterstattung als angreifbar
33 Aktham Suliman: Vergiss, was du gesehen hast!, in: FAZ, 11.12.2012, online:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ein-abschied-von-al-dscha-zira-vergiss-was-du-gesehen-hast-11988966.html [Stand: 17.09.2015].
34 Seit den Protesten gegen Assad in Syrien und der klaren Positionierung
Katars gegen das mit Iran verbündete Regime steckt das Verhältnis zu Iran
in einer tiefen Krise.
35 Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der sich bereits mit seinem
Ausspruch, in Katar gehe man „mit den Kamelen spazieren“, am Golf nicht
gerade beliebt machte, sprach im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin
vom „Stichwort Katar“ in Bezug auf die Finanzierung des „IS“.
36 Eine flammende und nichtsdestoweniger interessante Verteidigung des Emi-
rats erfolgte durch Andreas Krieg: Was Katar wirklich will, in: zenithonline,
22.08.2014, online:
http://www.zenithonline.de/deutsch/politik/a/artikel/was-katar-wirklich-will-004194/ [Stand: 17.09.2015].
37 Natürlich ist dies eine stark verkürzende Feststellung. Sie entstammt den
Thesen von Kulturtheoretikern wie Geert Hofstede, die auch ihre Kritiker
haben. Die Autorin ist der Ansicht, dass kulturelle Tendenzen und Prä-
gungen – mit denen die Individuen einer Gesellschaft selbstredend sehr
unterschiedlich umgehen, weshalb eine Binnendifferenzierung immer an-
gebracht ist – nichtsdestotrotz existieren.
38 Kristina Milz: „Es hängt davon ab, wie man die Botschaft überbringt“. In-
terview mit Christopher Newman, in: zenith März/April 2014, S. 76 f. hier
S. 77.