Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 4/13) - page 269

Realizing Utopia
Einsichten und Perspektiven 4 | 13
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Zahlen zur Lebensmittelverschwendung in
Deutschland und weltweit
Laut Hochrechnung einer 2012 veröffentlichten Studie des
Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfall-
wirtschaft der Universität Stuttgart werden in Deutschland
jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
Aus der Studie geht hervor, dass 47 Prozent der Lebensmit-
telvernichtung vermeidbar und weitere 18 Prozent zumin-
dest teilweise vermeidbar
2
wären. Das bedeutet, dass über
die Hälfte der weggeworfenen Lebensmittel ohne Probleme
verzehrt werden könnte. Die Grafik zeigt, an welchen Stel-
len die meisten Verluste zu verzeichnen sind (Abb. 1).
In den Industriestaaten werden insgesamt jedes
Jahr ca. 220 Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel
weggeworfen. Das entspricht etwa der gesamten Nah-
rungsmittelproduktion aller afrikanischen Länder südlich
der Sahara (insgesamt 230 Millionen Tonnen).
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Nach Ein-
schätzung der Initiative „Save Food“ der UNO-Welternäh-
rungsorganisation (FAO) könnten von der weltweiten Le-
bensmittelproduktion derzeit etwa zwölf Milliarden Men-
schen ernährt werden.
In Industrieländern wird ein großer Teil der Lebensmittel-
verluste durch den Verbraucher verursacht: In Deutschland
werden jährlich pro Kopf rund 82 kg Lebensmittel wegge-
worfen;
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in den Entwicklungsländern entsteht der Verlust
vor allem bei der Lagerung und dem Transport (Abb. 2/3).
Aus einem aktuellen UN-Bericht geht hervor, dass
rund ein Viertel der weltweit ca. fünf Milliarden Hektar
Ackerfläche
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für die Herstellung von Lebensmitteln genutzt
werden, die nie verzehrt werden. So entstehen der Welt-
wirtschaft jährlich Einbußen von ca. 565 Milliarden Euro,
und es gelangen 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid
grundlos in die Erdatmosphäre.
6
Unbestritten ist auch, dass von Industriestaaten in
Entwicklungsländern erworbene Agrarflächen zum Anbau
von Soja, Mais oder Getreide meist nicht für die Ernährung
der Bevölkerung genutzt werden, sondern vorwiegend zur
Fütterung von Tieren, die in Industrieländern verzehrt wer-
den. Dies ist nicht nur fatal für die Menschen in den Ent-
wicklungsländern, die von diesen Lebensmitteln ernährt
werden könnten, sondern bedeutet auch eine extreme Ver-
schwendung von Ressourcen. Greenpeace berichtet 2011:
„Wasserverbrauch, Übernutzung der Böden, Einsatz von
1 Mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ hat sich Ulrich Grober in „Einsichten und Perspektiven“ (März 2012) auseinandergesetzt.
2 Unter „unvermeidbar“ versteht man Lebensmittelreste wie Gräten, Knochen oder Kerne. Als „teilweise vermeidbar“ bezeichnet man zum
Beispiel Tellerreste nach einer Mahlzeit.
3 Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Global Food Losses and Food Waste, FAO, Rom 2011, S. 5.
4 Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft, Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge
zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland, Stuttgart 2012, S. 121.
5 Greenpeace berechnet die Zahl auf fünf Milliarden Hektar, da Wiesen und Weiden einbezogen werden, die zur Nahrungsmittelproduktion
notwendig sind. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) spricht von 1,5 Milliarden
Hektar reiner Anbaufläche für die Nahrungsmittelproduktion.
6 FAO, Food wastage Foodprint – Impact on natural ressources, FAO, Rom 2013, S. 6.
Seit die globale Finanzkrise die Fragilität unseres Wirtschaftssystems sichtbar machte,
wachsen die Zweifel am Prinzip des endlosen Wachstums. Der mit unterschiedlichen
Interpretationen behaftete Begriff „Nachhaltigkeit“
1
wird in verschiedensten Kontex-
ten als Allheilmittel für eine bessere Zukunft angepriesen. Dass dieser Begriff jedoch
von der Theorie befreit und im täglichen Leben konkretisiert werden kann, zeigen die
folgenden Einzelpersonen und Gruppen: Sie versuchen, ein Leben zu führen, das
Nachhaltigkeit in der persönlichen Lebensführung als Zeichen des Protestes gegen un-
sere Wegwerfgesellschaft und als Ausgangspunkt für eine gerechtere Verteilung der
globalen Ressourcen praktiziert.
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