Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 4/13) - page 265

Synekdoche, Balkan
Einsichten und Perspektiven 4 | 13
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25 Diesen Fernsehsketch über „Haso und Mujo“ versteht man auch ohne serbokroatische Sprachkenntnisse:
=
NQINtMv5kX0 [Stand: 16. November 2013].
26 Vgl. Calic (wie Anm. 9), S. 60.
27 Vgl. ebd., S. 72 f.
28 Vgl.
[Stand: 16. November 2013].
29 Zitiert nach Calic (wie Anm. 9), S. 171.
30 Vgl. Calic (wie Anm. 9), S. 191 f.
Die Kralja Milana, eine der großen innerstädtischen Magistralen,
führt vom Terazije-Platz über den Slavija-Platz direkt auf den
Dom des heiligen Sava zu.
Foto: Alexander Wulffius
Das Denkmal für Ivo Andric‚ zwischen Kralja Milana und dem
Parlamentsplatz. Ganz in der Nähe befindet sich die Wohnung
Andri
´
c’, die heute ein Museum ist.
Foto: Alexander Wulffius
ganzen 20. Jahrhunderts. Seit Jahrzehnten kursieren in Bel-
grad die Witze über „Haso und Mujo“ als Parodien trotte-
liger Zuzügler aus der bosnischen Provinz.
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Der junge Ivo AndricŸ erfuhr seine politische Sozia-
lisation als Teil einer Jugendbewegung, die einen schwär-
merisch-idealistischen Jugoslawismus verfocht und zu sei-
ner Realisierung den Untergang der Habsburgermonarchie
herbeisehnte
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– den der Erste Weltkrieg dann brachte. Für
das bereits unabhängige Königreich Serbien war das exis-
tenzbedrohende Trauma des Kriegs – auch durch die Erfah-
rung der Gewaltexzesse und Massenverbrechen der k. u. k.
Armee
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– ein wesentlicher Faktor dafür, sein nationalpoli-
tisches Programm durch den südslawischen Zusammen-
schluss zu ergänzen. Belgrad selbst war während des Ersten
Weltkriegs zu großen Teilen zerstört worden. ImDezember
1918 rief Prinzregent Alexander KaradjordjevicŸ den Staat
der Serben, Kroaten und Slowenen aus. Nicht nur in Bel-
grad verband man mit der Geburt des Ersten Jugoslawien
euphorische Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Ivo An-
dricŸ hatte die Staatsgründung im „Nationalrat der Serben,
Kroaten und Slowenen“, der sich in Zagreb gebildet hatte,
vorbereitet und trat im Jahr 1919 ins Außenministerium in
Belgrad ein. Im diplomatischen Dienst erlebte er Alexan-
ders autoritäre Transformation in das Königreich Jugosla-
wien und schließlich das Ende des Ersten Jugoslawien 1941
infolge der deutsch-italienischen Invasion, die mit einer ver-
heerenden Bombardierung Belgrads durch die Luftwaffe
begann.
Ein beeindruckendes architektonisches Zeugnis der Grün-
dungsphase des jugoslawischen Staates in Belgrad ist der
„Palast des Parlaments Serbiens“. Noch als Parlament für
das Königreich Serbien geplant – den Grundstein legte Kö-
nig Peter I. im Jahr 1907 –, brachte der Erste Weltkrieg die
Arbeiten zum Erliegen. Pavle IlkicŸ, der Sohn des ursprüng-
lichen Architekten, brachte das Projekt bis 1936 zum Ab-
schluss.
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Wenige Jahre vor dem Ende des Ersten Jugosla-
wien fertiggestellt, sollte das Gebäude dann das Parlament
des sozialistischen Jugoslawien beherbergen – bis in dessen
Endphase: Im Jahr 2000 stürzten Demonstranten das Re-
gime Slobodan Miloševic
´’
durch den Sturm des Parla-
mentsgebäudes, das sie dabei in Brand setzten.
Die Geburt des sozialistischen Jugoslawien erfolg-
te aus dem Geist des militärischen Widerstands gegen die
nationalsozialistische Herrschaft. Am 20. Oktober 1944
meldete die Erste Proletarische Brigade des kommunisti-
schen Partisanenführers Tito den Sieg über die deutschen
Besatzer: „Der Kalemegdan ist befreit […] Die Proletarier
haben die Festung im Sturm erobert.“
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Tito predigte „Brü-
derlichkeit und Einheit“ der verwandten Völker für die
nach seinemWahlsieg imNovember 1946 proklamierte Fö-
derative Volksrepublik Jugoslawien. Dieser Wahlspruch
hatte schon gegen Kriegsende nicht den blutigen Rache-
feldzug der Kommunisten gegen politische Gegner verhin-
dert. Nach dem Bruch mit der Sowjetunion im Jahr 1948
starben Tausende als Sowjet-Anhänger Verdächtigte im
Straflager auf der berüchtigten Kahlen Insel.
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Titos „Drit-
209...,255,256,257,258,259,260,261,262,263,264 266,267,268,269,270,271,272,273,274,275,...284
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