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2.7 / Sekundarstufe II: Wer die Wahl hat, hat die Qual

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Meine Intimsphäre gehört mir

Wer weiterkommen und sich für neue Er-

fahrungen öffnen möchte, muss die Bereit-

schaft mitbringen, seine bisherigen Le-

bens- und Arbeitsweisen kritisch auf den

Prüfstand zu stellen. Möchte man fest ver-

ankerte Gepflogenheiten verändern (z. B.

langsamer essen lernen; cholerische Ver-

stimmungen abtrainieren) oder andere Fä-

higkeiten entwickeln (z. B. sich und andere

motivieren lernen; besser argumentieren

lernen), hat man tatsächlich offen und

manchmal ggf. auch schonungslos gegen

sich selbst zu sein und dies auch dem

Coach bzw. Trainer einzugestehen. Anders

als beim Autokauf („Ich mag schnelle Au-

tos“) sind aber alle Selbstentäußerungen

einer größeren manipulativen Gefahr aus-

gesetzt. Wer seine innersten Werte, Vorlie-

ben oder Abneigungen erklärt, macht sich

angreifbar. Eine vertrauensvolle Beziehung

zum Coach ist daher unabdingbar. Besucht

man ein Seminar bzw. Training, an dem

weitere Personen teilnehmen, ist der not-

wendige geschützte Bereich nicht unbe-

dingt mehr gegeben; insbesondere dann,

wenn die anderen Kursteilnehmerinnen

und Kursteilnehmer aus dem eigenen be-

trieblichen Umfeld stammen. Es wäre nicht

das erste Mal, dass externe Fortbildungen

einer Firma bzw. Abteilung zu einer desas-

trösen Arbeitssituation führten. Bedenken

sollte man die Konsequenzen, die es ha-

ben kann, wenn man offen und ehrlich ist

oder sich gegebenenfalls das Recht her-

ausnimmt, nicht alle Fragen zu beantwor-

ten oder nicht alle Arbeitsaufträge 100%ig

zu erfüllen. Eine vertragliche Regelung zur

Verschwiegenheit könnte zumindest die

Hemmschwelle erhöhen, dass Interna bzw.

privat-intime Dinge weitergegeben werden

und für eine spätere juristische Auseinan-

dersetzung nötig sein. Gute Argumente

gegen bestimmte Programmpunkte und

Forderungen haben ihre Berechtigung;

werden sie einfach bei Seite gewischt und

nicht gewürdigt, ist damit zu rechnen, nicht

gerade ein seriöses Angebot auf dem Le-

bensbewältigungshilfemarkt erwischt zu

haben (vgl. TZI-Regeln

20

). Geschädigte

20

TZI – Themenzentrierte Interaktion ist ein psycho-

logisches Handlungskonzept, das insbesondere für

wussten z. B. zu berichten, dass sie nach

sexuellen Vorlieben, Wünschen oder

Träumen befragt wurden oder man wissen

wollte, wie oft man sich befriedigte. Diese

Informationen wurden später gegen sie

verwendet (von Kollegen). Eine unkontrol-

lierte bzw. nicht ausreichend vorbereitete

und begleitete Konfrontation mit den eige-

nen Ängsten und dunklen Seiten kann

schwere emotionale sowie psychische Stö-

rungen auslösen.

Textbeispiel 5

Frau S. hat an einem Fortbildungspro-

gramm ihrer Firma teilgenommen. Dazu

hat sie mit 15 Kollegen und Kolleginnen ein

Wochenende in einem Tagungshotel ver-

bracht. Zu Beginn des Seminars sollte die

Ausgangssituation im Team analysiert

werden. Ein Kollege wurde aufgefordert,

alle Teilnehmer so im Raum zu platzieren,

dass die Zusammenarbeit im Team mög-

lichst gut abgebildet ist, also Personen nä-

her zusammen stehen, die enger zusam-

menarbeiten und umgekehrt. Frau S. wur-

de ganz an den Rand platziert. Auf Nach-

frage meinte der Kollege, dass Frau S.

eben immer alles allein machen wolle und

sich außerdem nie integriere und an ge-

meinsamen Freizeitaktivitäten des Teams

beteilige. Frau S. fühlte sich daraufhin in

die Enge getrieben und berichtete schließ-

lich, dass sie mit dem Umgang mit anderen

Menschen Probleme habe und deshalb in

therapeutischer Behandlung sei. Nach Be-

endigung des Seminars schämt sich Frau

S. nun vor den Kollegen und denkt ernst-

haft darüber nach, eine andere Stelle zu

suchen.

Manipulationstechniken erkennen

Endlich angekommen am Seminarort ist

man zumeist neugierig gespannt, freut sich

auf die bevorstehenden Stunden und ist

schneller bereit, Vorgaben oder Einschrän-

kungen zu akzeptieren als normal üblich –

schließlich hat man genügend Geld be-

die Arbeit mit Gruppen entwickelt wurde und bis

heute untrennbar mit dem Namen Ruth Cohn ver-

bunden ist. Weitere Informationen z. B. unter:

http://www.ruth

-cohn-

institute.com/page/40/inhalt_was_ist_tzi&

mm=13

(Stand: 06.06.2014).