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2.7 / Sekundarstufe II: Wer die Wahl hat, hat die Qual

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Der Nachweis, dass man vom Seminaran-

bieter (arglistig) getäuscht wurde, fällt umso

schwerer, je blumiger und weitschweifen-

der Informationsbroschüren (s. Textbeispiel

4a) sind oder auch im Vertrag keine konk-

ret definierten Ziele angegeben werden.

An solche Darstellungen lassen sich kon-

krete Fragen stellen:

Was wird versprochen?

Welche Methoden finden Anwendung,

um welche Ziele zu erreichen?

Welche suggestiven Formulierungen

finden sich?

Worin unterscheidet sich der erste Werbe-

text (Textbeispiel 4a) von folgender Dar-

stellung eines Coaching-Verständnisses

(Textbeispiel 4b). Was spricht mehr an?

Aus welchem Grund?

Man sollte sich die Zeit und die Ruhe neh-

men, die Ausschreibung(en) und den Ver-

trag mit den AGBs (Allgemeine Geschäfts-

bedingungen) kritisch durchzugehen. Fra-

gen des konkreten Settings

19

sind genauso

zu stellen wie die rechtlichen Grundlagen

zu überprüfen sind. Zum Preis (brutto oder

netto?) für das Seminar kommen in der

Regel noch zusätzliche Kosten für An- und

Abreise hinzu. Mit den Ausgaben für Kost

und Logis können sich die Gesamtkosten

für das Unterfangen verdoppeln; insbeson-

dere, wenn als Seminarort ein Luxushotel

im Ausland (Übersee?) fungiert. In diesem

Zusammenhang sei die kritische Nachfrage

erlaubt, warum man zum Coaching-

Seminar so weit fliegen muss, oder warum

das Persönlichkeitstraining unbedingt im

Urwald stattfinden muss und es drängt sich

der Verdacht auf, dass Gruppendynamik und

Urlaubsstimmung wesentliche (oder viel-

mehr die?) Faktoren sind für den Erfolg der

Seminarmethoden.

19

Wann und wo finden die Seminare statt? Wie viele

Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen voraus-

sichtlich daran teil und garantiert diese Anzahl noch

ein effektives Arbeiten? Sofern es sich um ein Semi-

nar handelt, wo weitere Kunden teilnehmen: ist man

überhaupt dazu bereit, auch persönliche oder gar

intime Details vor anderen Kursteilnehmerinnen und

-teilnehmern auszubreiten?

Den Vertrag sollte man sich grundsätzlich

aushändigen lassen und sich nicht verfüh-

ren lassen, sogleich im Büro des Veranstal-

ters zu unterschreiben. So fallen einzelne

Anbieter beispielsweise dadurch auf, dass

sie regelmäßig vor dem Vertragsabschluss

die Interessierten davon überzeugen, hand-

schriftlich weitreichende Einschränkungen

der Verbraucherrechte zu akzeptieren.

Dadurch sind Kündigungen oder spätere

Regressforderungen schwer oder gar nicht

mehr durchzusetzen.

Wer ein bis zwei Wochen den Vertrag in

Händen hält, kann in Ruhe prüfen, mit an-

deren Anbietern vergleichen und kritische

Punkte mit Fachleuten, aber auch Freun-

den und Bekannten besprechen. Angeb-

liche Sonderangebote oder Schnäppchen

sind umso kritischer zu sehen, je mehr Zeit

und Geld investiert werden muss. Etwaige

Ausschlussklauseln oder einseitige Ver-

pflichtungserklärungen, wie z. B. dass man

psychisch gesund sei, sind nicht nur auf

ihre rechtliche Zulässigkeit hin zu über-

prüfen, sondern auch, ob man mit diesen

Einschränkungen wirklich einverstanden

ist. Ein Gerichtsstand außerhalb Deutsch-

lands macht etwaige spätere Forderungen

deutlich schwerer einklagbar – zumindest

steigen dadurch die Kosten und die recht-

liche Grundlage für das Vertragsverhältnis

kann von bundesdeutschen Regelungen

erheblich abweichen zum Nachteil des

Kunden.

Immer wieder wenden sich Ratsuchende

an Beratungsstellen oder Rechtsanwälte,

die ihr Geld zurück verlangen wollen, weil

sie sich betrogen fühlen. Erfolgreich sein

Recht einzuklagen ist nur möglich, wenn

man alle Rechnungen und Quittungen mit

den dazugehörigen Unterlagen (AGB, Aus-

schreibung des Seminars) vorweisen kann.

Gerade wenn man wütend und enttäuscht

ist über den Anbieter und dessen Metho-

den, sollte man diese Unterlagen nicht ver-

nichten (was leider häufig vorkommt). Bes-

ser ist es, alle Vertragsunterlagen zu Hau-

se zu verwahren (zumindest in Kopie) und

möglichst frühzeitig mit eigenen schriftli-

chen Notizen zu beginnen, worüber man

unzufrieden war.