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2.1 / 5. Jahrgangsstufe: Große Zahlen – Gewinnspiele – Schneeballsysteme

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der potenziellen Mitspieler begrenzt ist.

Erhält man einen solchen Brief, bei dem

schon 9 Namen auf der Liste stehen, so

muss man ja mindestens als zehnte Per-

son neue Mitspieler suchen. Insgesamt

sind allerdings schon rund 2 Millionen Per-

sonen im Spiel und es müssten auf dieser

Stufe 10 077 696 neue Menschen gefun-

den werden (Veranschaulichung Folie 2).

Wenn zu wenige sich beteiligen, bekommt

auch der Kettenbriefinitiator nur einen ge-

ringen Betrag. Er kann sich z. B. damit hel-

fen, dass er

a) einen Brief mit 9 Adressen startet, die

alle eigene Deckadressen sind, und

b) den Brief nicht nur an einem Ort ab-

schickt, sondern viele Lawinen in vielen

Orten startet. Er sichert sich damit alles

Geld, das möglich ist, und zugleich einen

schnellen Zufluss, bevor z. B. die Polizei

Zeit hat zu reagieren. (Analog beim

Schenkkreis)

Nicht erst wegen dieses betrügerischen

Verhaltens, sondern weil es sich um Ge-

winnspiele handelt, die darauf angelegt

sind, „dass

die ersten Mitglieder einen

(meist) sicheren Gewinn erzielen, wäh-

rend die große Masse der späteren Teil-

nehmer ihren Einsatz verlieren muss,

weil angesichts des Vervielfältigungs-

faktors in absehbarer Zeit keine neuen

Mitglieder mehr geworben werden kön-

nen“ (BGH III ZR 290/11, 21.06.2012),

werden solche Spiele in Deutschland als

sittenwidrig bezeichnet bzw. fallen unter

den Straftatbestand des Betrugs. Jedoch

wird strafrechtlich nicht immer ein Verfah-

ren eingeleitet. Zivilrechtlich hätten Ge-

schädigte einen Anspruch auf Rückzahlung

ihrer Gelder. Dies durchzusetzen scheitert

jedoch häufig an vielen (juristischen wie

psychischen) Hürden – das investierte

Geld ist verloren.

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Das deutsche Recht ist in unterschiedliche Teil-

bereiche untergliedert. Für die hier thematisierten

Fragestellungen sind die strafrechtlichen Bestim-

mungen von den zivilrechtlichen Regelungen zu

unterscheiden.

Informationen Multi-Level-Marketing

Multi-Level-Marketing, auch Netzwerk-

Marketing genannt, ist eine Vertriebsform,

bei der die Produkte eines Unternehmens

über selbständige Vertriebspartner, die

dann Zwischenhändler sind, an den End-

verbraucher verkauft werden. Multi-Level-

Marketing (MLM) findet sich in vielen Bran-

chen, z. B. beim Verkauf von Haushaltswa-

ren, Gesundheitspräparaten, Finanzdienst-

leistungen. Als Schneeballsystem wird das

MLM bezeichnet, wenn der Erlös der Zwi-

schenhändler sich nicht nur aus dem Ver-

kauf der Produkte, sondern auch aus dem

Verkauf von Produkten weiterer Zwischen-

händler, die der Mitarbeiter gewonnen hat,

errechnet (Provisionen). Häufig ist der rei-

ne Erlös aus den verkauften Produkten so

klein, dass diese entweder aggressiv ver-

kauft werden müssen oder dass man sehr

schnell anfängt, weitere Verkäufer für das

Unternehmen zu finden. Umso mehr Ver-

käufer man findet, die dann wiederum wei-

tere Verkäufer suchen, umso höher steigt

man in der Hierarchie und umso größer

wird der (Mit)Verdienst aus den Provisio-

nen der in der Linie unter einem Stehenden

(s. Filmausschnitt UE 2.5).

Das Strafrecht regelt den Anspruch des Staates

gegenüber einem (vermeintlichen) Straftäter. Man

unterscheidet grob zwischen Antragsdelikten, bei

denen ein Geschädigter bzw. die Staatsanwaltschaft

Antrag auf Strafverfolgung stellen muss und Offizial-

delikten, bei denen die Staatsanwaltschaft von Amts

wegen tätig werden muss.

Das Zivilrecht regelt den Anspruch zwischen den Bür-

gern untereinander. Die Beweislast liegt beim Kläger,

der seine Ansprüche gegen eine andere Person/Firma

(„Partei“) durchsetzen möchte. Der Kläger muss zu-

nächst finanziell in Vorleistung treten und kann nur

hoffen, dass er seine Ausgaben von der beklagten

Seite später (ganz oder teilweise) erstattet bekommt.

Bei der juristischen Bewertung von Schneeballsys-

temen sind die zivilrechtlichen Ansprüche eines

Geschädigten, die im BGB geregelt werden, von den

strafrechtlichen Konsequenzen, die vornehmlich im

StGB geregelt werden, zu unterscheiden. Als Ge-

schädigter kann man bei der Staatsanwaltschaft

Strafanzeige erstatten, die daraufhin prüfen muss, ob

sie ein Verfahren eröffnet. Den Schadensersatz

muss der Geschädigte jedoch bei Gericht mittels

zivilrechtlicher Klage einzufordern suchen.