Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 4/13) - page 217

Abgrenzung: die SED und Gorbatschows Geschichtspolitik
Einsichten und Perspektiven 4 | 13
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30 Weber (wie Anm. 29), S. 7.
31 König (wie Anm. 4), S. 203.
32 Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung: In den Fängen des NKWD. Deutsche Opfer des stalinistischen Terrors in der UdSSR, Berlin
1991.
33 König (wie Anm. 4), S. 198.
34 Ebd., S. 198.
35 Erarbeitet vom Institut für Marxismus-Leninismus und von einer Kommission des Politbüros des ZK der SED unter seiner Leitung „bestä-
tigt“. Erich Honecker: Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Abriß, Berlin (Ost) 1978.
36 70 Jahre Kampf für Sozialismus und Frieden, für das Wohl des Volkes. Thesen des ZK der SED zum 70. Jahrestag der Gründung der Kom-
munistischen Partei Deutschlands vom 9./10. Juni 1988, Berlin (Ost) 1988.
37 Aktenvermerk über ein Gespräch des Genossen Erich Honecker mit Genossen Wjatscheslaw Kotschemassow, Botschafter der UdSSR in
der DDR, Berlin, 31. 5. 1988, SAPMO-BArch, DY 30/IV. 2/2039/281, Bl. 244.
Opfer der stalinistischen „Säuberung“ zu rehabilitieren.
30
König berichtet, dass „ihm zweimal Materialien über deut-
sche Kommunisten und Antifaschisten“
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von der KPdSU
übergeben wurden, die zu den Opfern von Stalins Terror
zählten. Erst nach dem Sturz von Honecker als Generalse-
kretär wurden diese Materialien ausgewertet und publi-
ziert.
32
Für das Ende der SED-Herrschaft hatte die sowje-
tische Geschichtsdebatte eine große Bedeutung. Es war ei-
ne Debatte über „den Wert des von Stalin geprägten gesell-
schaftlichen Systems und der ihm immanenten Leitungs-
methoden“, diese galten in der DDR als „sozialistische
Errungenschaft.“
33
Allein die Debatte um Perestroika und
Glasnost und damit über die Veränderbarkeit untergrub po-
litisch den „historischen Unfehlbarkeitsanspruch der
SED“.
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Damit stellte die ‚Bruderpartei‘, die die Existenz
der SED-Herrschaft weltpolitisch garantierte, Identität und
Selbstverständnis der SED-Kader als Kommunisten infra-
ge.
Der Thälmann-Kult der SED als legitimatori-
scher Schutzwall gegenVeränderungen im
politischen System
Als Antwort auf Gorbatschows Grundsatzreferat zum 70.
Jahrestag der Oktoberrevolution in Moskau beschloss das
ZK der SED, mit Blick auf die Feierlichkeiten zum 40. Jah-
restag der DDR 1989, im Juli 1988 Thesen zum 70. Jahres-
tag der KPD-Gründung 1918.
Die historische Grundlage lieferte die eigene
Parteigeschichte von 1976.
35
Die Thesen schrieben die „füh-
rende Rolle“ der kommunistischen Partei in Staat und Ge-
sellschaft der DDR fest.
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Damit bekannte sich die SED im-
plizit zur von Stalins Sowjetunion übernommenen Herr-
schaftsstruktur in der DDR.
Der sowjetische Einfluss auf die Geschichte des
deutschen Kommunismus wurde in den Thesen aber gleich-
zeitig bis zur Unkenntlichkeit minimiert. Stalin wurde ge-
strichen, obwohl der SED-Staat ihm seine Existenz ver-
dankte. An seine Stelle trat nun für die Zeit vor 1933 Ernst
Thälmann, der sein deutscher Gefolgsmann war. Die SED
wurde zur „Thälmannschen Partei“ erklärt. In Ost-Berlin
wurde versucht, eine ideologische Mauer gegen die bitteren
historischen Wahrheiten zu errichten, die aus Moskau ka-
men. Wie wichtig dieses immaterielle Bauwerk Honecker
war, lässt sich daran erkennen, dass er am 31.5.1988 persön-
lich den sowjetischen Botschafter Wjatscheslaw Kotsche-
massow informierte, dass das SED-Politbüro den Entwurf
der Thesen zum 70. Jahrestag der Gründung der KPD er-
örtert habe. „Dieser Thesenentwurf zu einem außerge-
wöhnlich wichtigen Thema“ werde nun den ZK-Mitglie-
dern zugestellt.
37
Die Gründung der KPD war demnach ein
Ernst-Thälmann-Denkmal in der Greifswalder Straße in Berlin-
Mitte, aufgenommen 1992
Foto: Bundesregierung – Bernd Kühler
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