Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 4/13) - page 225

Abgrenzung: die SED und Gorbatschows Geschichtspolitik
Einsichten und Perspektiven 4 | 13
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84 Ebd., S. 135.
85 Ebd.
86 Ebd., S. 136.
Festveranstaltung zum 70. Jahrestag der Gründung der KPD in Berlin: Blick auf das Podium während der Ansprache von Erich
Honecker
Foto: ullstein bild - ADN-Bildarchiv
die zentrale Selbstlegitimation der SED-Herrschaft. Die
KPD war die einzige Partei, die bereits vor 1933 den Na-
tionalsozialismus konsequent bekämpft hatte und die mit
diesem „antifaschistischen Kampf“ nach 1945 ihren totali-
tären Machtanspruch in Deutschland begründete, den sie
nur in der SBZ mit Hilfe der Deutschlandpolitik von Stalin
durchsetzen konnte. Der Journalist Ernst Henri hatte vor
1933 in Deutschland gearbeitet und stellte nun als Zeitzeu-
ge diese heroische Legende infrage. Er verknüpfte die Poli-
tik der KPD mit Stalins Linie des Kampfes gegen die Sozi-
aldemokratie. Stalin habe mit seiner These vom „Sozialfa-
schismus“ die Spaltung der Arbeiterbewegung vertieft. In
aller Öffentlichkeit nannte er die Sozialdemokraten den
„gemäßigten Flügel des Faschismus“ – mit verheerenden
Folgen. „Diese Worte trennten denn auch die Arbeiter von-
einander wie eine Barrikade.“
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An der zeitgenössischen Be-
deutung dieser Linie ließ er keinen Zweifel: „Stalins Worte
waren für die Komintern ebenso ein Befehl, wie es seine
Weisungen für die Rote Armee oder das NKWD waren.“
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Die Politik gegen die „Sozialfaschisten“ ebnete „Hitler zu-
nehmend den Weg“; erst 1935 wurde diese Linie korrigiert.
Nach dem Pakt von 1939 befahl Stalin allen kommunisti-
schen Parteien, „jede antifaschistische Propaganda sofort
einzustellen“
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– diese Weisung galt auch für Pieck und Ulb-
richt im Moskauer Exil.
Eine Debatte über die Konsequenzen von Stalins
Politik für die KPD, deren „Führer“ Thälmann sie in
Deutschland blindlings umgesetzt hatte und die zur katas-
trophalen Niederlage 1933 geführt hatte, hatte die SED nie-
mals geführt. Als Honecker Bilak seine Gründe für das
Sputnik-Verbot erläuterte, wiederholte er nur die Legenden
der SED-Parteigeschichte. Diese bittere Wahrheit wider-
sprach auch seinen subjektiven Erinnerungen als Jungkom-
munist, der sich den Nazis in den Weg gestellt und dafür
zehn Jahre im Zuchthaus gesessen hatte. Henri hatte für ihn
die Geschichte gefälscht: „Im völligen Widerspruch zur hi-
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