2 Was ist Lesekompetenz?
#lesen.bayern – Fit im Fach durch Lesekompetenz
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In der Schulpraxis ist von Bedeutung, dass die Leseflüssigkeit nicht mit dem
Ende der Grundschulzeit bei allen Schülerinnen und Schülern vollständig aus-
gebaut ist, sondern insbesondere in der Unterstufe der weiterführenden Schu-
len noch trainiert und der Sichtwortschatz erweitert werden muss. Es kann
nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kind einen Text automatisch auch
inhaltlich erfasst, wenn es ihn entsprechend flüssig lesen kann. Allerdings ist
die Leseflüssigkeit umgekehrt Voraussetzung für das Textverstehen.
2.1.2 Lesefähigkeit – Textverstehen
Die hierarchiehöheren Prozesse der Lesekompetenz betreffen die Lesefähig-
keit, d. h. „die Fähigkeit, Texte sinnkonstruierend zu lesen“ (ISB/LehrplanPLUS,
2017). Dies setzt voraus, dass die Schülerinnen und Schüler im engeren Kon-
text des Textes, d. h. bei aufeinanderfolgenden Sätzen, Bedeutungs- und Argu-
mentationszusammenhänge erkennen:
Mary holte die Picknick-Utensilien aus dem Wagen. Die Apfelschorle war
warm.
Um zu verstehen, wie die beiden Sätze als Textsegmente inhaltlich miteinander
verknüpft sind, muss die Leserin/der Leser „die Apfelschorle“ als „Picknick-
Utensil“ einordnen. Nur mit dem Vorwissen, dass die Apfelschorle als Getränk
zu den Picknick-Utensilien gehört, entsteht ein Sinnzusammenhang, die
loka-
le Kohärenz
.
Das globale
Textverstehen
, auch
globale Kohärenz
genannt, d. h. das Erfas-
sen des gesamten Textes, wird durch die Anwendung unterschiedlicher Lese-
techniken, Lesestrategien und metakognitiver Selbstregulation unterstützt. An
dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in der Literatur nicht immer zwischen
Lesetechniken und Lesestrategien unterschieden wird, sondern die hier aufge-
listeten Lesetechniken z. T. den Lesestrategien zugeordnet werden.
Lesetechniken
Leserinnen und Leser rezipieren abhängig von der jeweiligen Leseintention ei-
nen Text mit unterschiedlichen Lesetechniken. Es lassen sich u. a. folgende Le-
setechniken unterscheiden, in allen Fächern einüben und zunehmend selbst-
ständig anwenden (vgl. ISB/Lesetechniken, 2016 und 2017):
•
orientierendes/diagonales Lesen
(skimming)
:
Betrachten der Textbestandteile, „Anlesen“ des Textes, Überfliegen
•
punktuelles/selektives Lesen
(scanning)
:
gezielte Suche nach einer (oder mehreren) bestimmten Information(en)
im Text
•
kursorisches/rasches Lesen
(reading for gist)
:
globales Erfassen des gesamten Textinhalts
•
sequenzielles/detailliertes/intensives Lesen
(reading for detail)
:
genaues Erfassen des Textverlaufs/-inhalts inklusive inhaltlicher Details
•
analytisches/untersuchend-kritisches/statarisches Lesen
(deep reading)
:
tiefgehende Textanalyse (Reflexion, auch sprachliche Betrachtung)
Leseflüssigkeits-
training auch an
weiterführenden
Schulen
lokale Kohärenz
globale Kohärenz