Schulversuch Flexible Grundschule - Dokumentation, Ergebnisse, Emfpehlungen für die Praxis - page 80

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Diagonalen, ist der Lernzuwachs niedriger ausge-
fallen als erwartet (s. Schüler 1). Die Platzierung
eines Schülers unterhalb der untersten Diagona-
len weist auf eine Leistung hin, die weit hinter den
Erwartungen zurückgeblieben ist (s. Schüler 4).
Schnittpunkte oberhalb der obersten Diagonale
geben hingegen einen Lernzuwachs an, der die
Erwartungen deutlich übertrifft (s. Schüler 3).
Die Erhebung der Lernausgangslage mit FIPS
ermöglicht der Lehrkraft eine frühzeitige Einsicht
in die Kompetenzen und Fähigkeiten der Schüle-
rinnen und Schüler, an die sich eine adäquate Un-
terrichtsplanung anschließt. Am Schuljahresende
erhält die Lehrkraft einen aufschlussreichen Ein-
blick in die Lernentwicklung der ganzen Klasse.
FIPS ersetzt jedoch nicht die Beobachtungs- und
Beurteilungskompetenz der Lehrkraft, sondern
schärft deren Diagnosefähigkeit und ergänzt die
Aussagen von Eltern, Kindertageseinrichtung und
Schule. Die Ergebnisse von FIPS können zudem
Grundlage für Eltern- und Beratungsgespräche
sein, wenn z. B. die Lernentwicklung thematisiert
wird oder eine Entscheidung über die Verweil-
dauer getroffen werden soll.
3.2 Dokumentation individuellen
Lernens
Lehrerinnen und Lehrer müssen bei aller Ver-
schiedenheit und Individualität des Lernens den
Überblick in ihrer Klasse behalten: Was können die
Schülerinnen und Schüler bereits, welche Stärken
und welche weiteren Lernbedürfnisse haben sie?
Um sich diesen Überblick zu verschaffen, sind nicht
unbedingt vorgefertigte Beobachtungsbögen not-
wendig. Hilfreich und unaufwendig sind Formen der
Lernbeobachtung, die direkt aus dem Unterricht
hervorgehen. Bei der Planung des gemeinsamen
Unterrichts achtet die Lehrkraft darauf, Lernaufga-
ben so zu stellen, dass dabei Schülerproduktionen
entstehen, die das Lernen und die Kompetenzen
der Schülerinnen und Schüler dokumentieren.
Im folgenden Kapitel werden exemplarisch drei
verschiedene Formen der Lernbeobachtung und
-dokumentation vorgestellt: Portfolio, Lerntagebuch
und Lernlandkarte. Portfolios eignen sich zudem als
alternative Formen der Leistungserhebung.
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3.2.1 Portfolio
Das Portfolio ist eine Möglichkeit, den individu-
ellen Lernprozess und -erfolg von Schülerinnen
und Schülern transparent und nachvollziehbar zu
machen. Die Kinder sammeln eigenständig in einer
Mappe Arbeitsergebnisse, die sie zu einem Thema
angefertigt haben. Ebenso reflektieren die Lernen-
den ihre Arbeitsprozesse und -ergebnisse: Was hat
mir inhaltlich Spaß gemacht? Was habe ich alles
neu gelernt? Habe ich mit anderen zusammenge-
arbeitet? Woran arbeite ich nächste Woche?
Über das Portfolio und die Qualität der Arbei-
ten erhält das jeweilige Kind eine Rückmeldung
durch die Lehrkraft. Um die Kriterien transparent
zu machen und auch für ein Elterngespräch nut-
zen zu können, kommen Rückmeldebögen zum
Einsatz. Werden Portfolios benotet, ist es uner-
lässlich, dies im Vorfeld bekannt zu machen, die
Bewertungskriterien offenzulegen und anschlie-
ßend auf dieser Basis die Note zu begründen. Die
Bewertungskriterien können sich dabei sowohl
auf den Prozess der Erstellung des Portfolios als
auch auf das Produkt selbst beziehen.
Die Erstellung eines Portfolios, so die Erfah-
rung der Lehrkräfte, lässt besonders die indivi-
duellen Unterschiede zwischen den Kindern sehr
deutlich zutage treten, nicht nur in fachlicher Hin-
sicht, sondern insbesondere auch, was das Lern-
und Arbeitsverhalten betrifft. Die Kinder setzen
unterschiedliche Schwerpunkte, sie verwenden
unterschiedlich viel Sorgfalt für die Ausführung
und benötigen unterschiedlich viel Hilfe dabei,
das Thema und bestimmte Ziele nicht aus den
Augen zu verlieren. Benötigen die Schülerinnen
und Schüler beim ersten Portfolio noch viel Un-
terstützung, gehen sie bereits bei einem zweiten
schon viel selbstständiger und zielstrebiger vor.
Portfolios können fächerbezogen erstellt wer-
den, sind aber in der Regel immer auch fächer-
verbindend, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Wenn beispielsweise im HSU-Unterricht Skizzen
beschriftet oder Sachtexte erstellt werden (z.B.
zur Beschreibung einer Obstsorte, Abb. 26), gibt
dies immer auch Einblicke in sprachliche Kompe-
tenzen und in die Schreibkompetenz der Schüle-
rinnen und Schüler.
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