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/er, die Menge an Detailkenntnissen,

die sie zweifellos haben,

...

G:

Einseitige Bildung ist keine Bil–

dung. .\lan muß zwar von einem

Ptmkte aus-. aber nach mehreren

Seiten hingehen.

H:

..

.

also die mangelnde Fähigkeit,

diese Kenntnisse miteinander zu ver–

knüpfen und Zusammenhänge herzu–

stellen. Und was die Klassiker angeht:

Gegen eine solide altphilologische Bil–

dung ist sicherlich nichts einzuwenden,

aber der moderne Fremdsprachenun–

terricht ist heute genauso wichtig.

G:

Wer fremde Spradten nicht kennt,

wem nichts von seiner eigenen. Übri–

gens nird es künftig ein wunderlich

Amalgam geben, da so \icle Frimzosen

tmd Engländer Deutsch lernen, so 'ie–

les übersetzt wfrd und tmsere Litera–

tur in ,·erschiednen Fächern mehr

Tiitigkeit hat als die beiden ru1dern.

H:

Da muss ich Sie leider enttäuschen,

Herr Goethe. Ich fürchte, auf interna-

net. Da werden Sie es auch nicht ger–

ne hören, dass Fernseher und Video–

rekorder Einzug in

so

manches Kin–

derzimmer gehalten haben.

G:

1n

\ielen Bildern wenig Klarheit.

viel lrrtmn und ein Fünkchen Wahr–

heit ...

H:

Da haben Sie leider Recht. Es ist

gerade der selbstbestimmte, kreative

und verantwortungsbewusste Umgang

mit diesen Medien, zu dem wir unsere

Schülerinnen und Schülern erziehen

wollen. Dazu ist es natürlich notwen–

dig, dass die Lehrkräfte entsprechend

aus- und fortgebildet werden.

G:

\\er andere lehren \\'iU. krum wohl

oft das Beste versehweigen, was er

weilA, aber er darf nicht halbwisseud

sein. Es ist niehts schrecklicher als

ein Lehrei; der nicht mehr

weil~,

als

die Schii ler allen falls wissen

sollen.

H:

Es geht eigentlich gar nicht

so

sehr um vorhandene oder nicht

vorhandene Kenntnisse, son–

dern vielmehr um deren Ver–

mittlung. Im Rahmen der er–

wähnten Bildungsoffensive

Goethe?

haben wir uns deswegen vor–

genommen, die Unterrichts–

methodik vor allem in den

Naturwissenschaften weiter–

zuentwickeln .

tionaler Ebene hat das Englische das

Rennen gemacht, es ist eine wahre

Weltsprache geworden. Wir verwen–

den sogar

im

Deutschen schon ganz

selbstverständlich englische Begriffe,

was mir und vielen anderen meist

nicht gefällt.

G:

Die Gewalt einer Sprache ist

nicht. daß sie das Fremde abweist.

sondern daß sie es ,·crschlingt.

H:

Nun zu einem ganz anderen Thema:

Wir leben ia in einem Zeitalter der ra–

santen technischen Entwicklungen, ins–

besondere auch im Bereich der neuen

Medien. Was sagen Sie dazu, dass

man heute weltweite Informationsnet–

ze für den Unterricht nutzen kann?

G:

An Bildern sehleppt für hin tmd

her Yerlornes mul Erwodmes; mul bei

dem gcu1zen Senden ki:euz tmd quer.

was bleibt tms denn? - \erdorbnes!

H:

Ich sehe schon, Sie sind kein gro–

ßer Freund von Computer und Inter-

G:

Auch in den Wissen-

sehaften km1n mm1 eigent–

lich nichts wissen, es will

im–

mer getm1 sein. Ich habe mieh

in den :\atm·wissenschaften

ziemlich nach allen Seiten hin

wrsucht; jedoch gingen meine

Richtm1gen immer um· auf sol–

che Gcgcnstiinde. (lie mich irdisch

mngaben tmd die muniltelbar durch

(lie Sinne wahrgenonunen werden

konnten.

H:

Mit Verlaub, Herr Geheimrat, wie

hielten Sie es dann mit der Mathe–

matik?

G:

Die Mathematik ist, wie die Dia–

lektik. ein Orgm1 des irn1eren, hühe–

ren Sinnes; in der AustÜlm1g ist sie

eine Kunst wie die Beredsamkeit. Für

beide hat nichts wert als die Form;

der Gehalt ist ilmen gleichgültig. Ob

die .Vlathematik Pfennige oder

Guineen berechne, die Rhetorik

\Yahres oder falsches vertei(lige. ist

beiden vollkommen gleich.

H:

Bevor unser Gespräch zu philoso–

phisch wird, eine ganz persönliche

Frage: Sie waren in Weimar Geheim–

rat, Minister, Vorsitzender verschiede–

ner staatlicher Kommissionen

-

also

quasi ein Kollege von mir. Wuchsen

Ihnen Ihre zahlreichen Ämter nicht

manchmal über den Kopf?

G:

Der Druck der Geschiiftc ist sehr

schün der Seele. Elender ist nichts als

der behagliche _\lensch ohne Arbeit

H:

Schön und gut, aber Sie haben ia

zusätzlich noch gedichtet! Verzeihen

Sie meine Neugier, aber wann haben

Sie dafür eigentlich Zeit gefunden?

G:

Gewöhnlich scluieb ich alles zm·

frühsten Tageszeit; aber auch abends,

ja tief in clie l\acht, wenn \\ein tmd

Geselligkeit die Lebensgeister erhöh–

ten, konnte man von mir fordern,

was mm1 wollte: es kam nur auf eine

Gelegenheit an. die einigen Charak–

ter hatte, so war ich bereit tmd fertig.

H:

Sehen Sie sich eigentlich mehr als

Literat oder als Staatsmann?

G:

:\fein eigentliches Glück war mein

poetisches Sinnen tmd Schaffen.

H:

Eine letzte Frage: Welchen Spruch

würden Sie einem iungen Menschen

von heute ins Poesiealbum schreiben?

G:

Priif1mgen erwarte bis zuletzt.

M: Herr Goethe, ich danke Ihnen für

dieses Gespräch.

Hinweis: Die Antworten Goethes sind Ori–

ginalzitate, die seinen literarischen Werken

und Selbstzeugnissen entnommen sind.

D

2/99 SCHULE

aktuell

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