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eh bin der Ansicht, dass meine Kin–
der in der Schule nicht bloß gut
aufgehoben sein sollen . Ich muss
auch was dafür tun, dass sie Deutsch
lernen . Dazu brauche ich aber viel
Kontakt mit der Schule." Mit dieser
Meinung steht Frau Songül Tag, eine
junge Türkin und Mutter zweier Kinder
an der Grundschule Ichenhausen, nicht
allein . Viele türkische Eltern nehmen
inzwischen wie selbstverständlich en–
gagiert am Leben der Grundschule
teil . So engagiert, dass die Schule da–
für unlängst aus der Hand von Kultus–
ministerin Monika Hohlmeier den 2 .
Preis des von BMW ins Leben gerufe–
nen Award für interkulturelles Lernen
überreicht bekam.
Wie ist es in Ichenhausen, einer
Kleinstadt im Schwäbischen Barock–
winkel, zu diesem erfreulichen Mitein–
ander von Schule und Eltern, ausländi–
schen wie deutschen, gekommen? In
den achtziger Jahren waren die meis–
ten türkischen Kinder noch in rein mut–
tersprachlichen Klassen zusammenge–
fasst. Nur wenige von ihnen besuchten
gemeinsam mit deutschen Schülern
den Unterricht. Als dann im Rahmen
eines bayernweiten Schulversuchs zur
Integration ausländischer Kinder vor
schaffen werden, womit man vor al–
lem bei den Elternabenden anfing . So
achteten Klassenelternsprecher und
Klassenleiter mit der Zeit darauf, dass
die Teilnehmer gemischt saßen und
sich keine Nationalitätengrüppchen
bildeten . Notfalls bat der Klasseneltern–
sprecher alle, den Raum noch einmal
zu verlassen und in neuer Mischung
Abend wiedererkennen und anhand
der Zeichnungen vorstellen müssen.
Wichtiger noch als das Eis zu bre–
chen ist vielleicht das Prinzip, dass
die Themen der Elternabende sich
nach Möglichkeit nicht auf Leistung
und Verhalten der Schüler beschrän–
ken, ein Gedanke, von dem sich auch
die Schule leiten lässt. „Immer wieder",
Mittler zwischen den
nunmehr fast neun Jahren an der
lchenhauser Grundschule eine erste
Modellklasse eingerichtet ....;urde, die
sich zu einem Drittel aus Türken, zu
zwei Dritteln aus Deutschen zusam–
mensetzte, waren zunächst die Vorbe–
halte auf beiden Seiten groß. Deut–
sche wie türkische Eltern befürchteten,
ihr eigenes Kind würde bei einer so
gemischten Klasse weniger lernen.
„Es wurde deutlich" , so Schulleiterin
Evelyn Schier, „dass ohne oder gar
gegen die Eltern interkulturelles Lernen
nicht klappen konnte."
Nach langen Diskussionen setzte
sich schließlich die Überzeugung durch,
die neue Situation als Chance für alle
wahrzunehmen. Elternbeirat und Leh–
rer machten sich in der Folgezeit dar–
an , in vielen kleinen Schritten Berüh–
rungsängste abzubauen . Dazu sollte
ein offenes, einladendes Klima ge-
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SCHULE
aktuell
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wieder hereinzukommen. Keine spek–
takuläre Idee, möchte man meinen,
aber die Folgen für die Atmosphäre
eines solchen Abends sind nicht zu
unterschätzen. Eine bewährte Strate–
gie, wie die Schulleiterin erzählt, sei
es inzwischen auch geworden, die El–
tern durch die Kinder auf die Veran–
staltungen neugierig zu machen:
Manchmal gestalten die Kinder z.B.
im Unterricht das Einladungsschreiben
mit einem persönlichen Briefkopf, oder
die Schule lädt bei geeigneten The–
men die Väter und Mütter gemeinsam
mit den Kindern ein . Für viel Stim–
mung sorgt es auch jedesmal, wenn
die Schüler im Unterricht ihre Familie
malen und dann die Eltern sich am
Kulturen
· Die Integration aus–
ländischer Mitbürger ist
in unserer Gesell–
schaft ein wichtiges
Anliegen. Auch die
Schule kann hier ihren
Beitrag leisten. 1m
schwäbischen Ichen–
hausen hat man
sich dazu einiges ein–
fallen lassen.