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Staat kümmerte sich nicht um
solche Fragen.
Die Wende kam mit der zu–
nehmenden lndustrial isierung,
mit der Zusammenballung von
immer mehr Menschen in den
Großstädten, mit dem 1. Weit–
krieg, der eine ganze Väterge–
neration auslöschte. ln ersten
Gesetzen mußte der Staat nun
die Waisenfürsorge regeln, das
Vormundschaftswesen und die
Erziehungshilfe für gestrauchel–
te oder verwahrloste junge
Menschen.
Im Jahre 1922 wurden die
Aufgaben der Jugendhilfe zu–
sammengefaßt im "Reichsju-
. gendwohlfahrtsgesetz". Abge–
sehen von einigen Änderungen
ist es noch heute die Grundlage
für die -Arbeit unserer Jugend–
ämter.
Sein zentraler Gedanke: Je–
des Kind hat ein Recht auf Er–
ziehung zur leiblichen, seeli–
schen und gesellschaftlichen
Tüchtigkeit. Aber in die Erzie–
hung darf der Staat nur dann
eingreifen, wenn Eltern diese
Aufgaben nicht erfüllen oder
sich überfordert fühlen .
Auch private Initiativen, die
sich der Jugend annehmen,
dürfen nicht eingeengt werden.
Im Gegenteil, sie haben sogar
Vorrang. Wenn also Kirchen,
Wohlfahrtsverbände, Jugend–
gruppen usw. jungen Men–
schen Lebenshilfe geben, sinn–
volle Freizeit anbieten, dann
fördern die Jugendämter dies
nach Kräften. Der Staat wendet
dafür beträchtliche Steuermittel
auf.
Für ihre Arbeit benötigen die
Jugendämter gut geschulte Ver–
waltungskräfte, Erzieher, So–
zialpädagogen, Sozialarbeiter
und Psychologen. Ihnen zur
Seite steht der "Jugendwohl–
fahrtsausschuß". Er ist ein de–
mokratisches Beratungs- und
Beschlußorgan. Vertreter der
verschiedenen gesellschaftl i–
chen Gruppen haben darin Sitz
und Stimme: Stadt- oder Kreis–
räte, Vertreter von Jugend- und
Wohlfahrtsverbänden,
aber
auch Juristen und Mediziner
gehören ihm an.
Nach den Hungerjahren der
Kriegs- und Nachkriegszeit hat
die Wohlstandsgesellschaft un–
serer Tage neue Probleme ge–
bracht. Die Jugend und somit
auch die Jugendämter sind da–
von betroffen. Man denke nur
an die steigende Zahl der
Scheidungen .
Allein im Jahre 1982 gingen
in Bayern über 16000 Ehen ka–
putt. Dadurch wurden mehr als
13 000 unmündige Kinder zu
Scheidungswaisen.
Nahezu
eine halbe Million Minderjähri–
ger wächst heute in Bayern mit
nur einem Elternteil auf, meist
der Mutter. Zur Erwerbstätigkeit
gezwungen, können sich diese
Frauen oft nur mit halber Kraft
ihrer Aufgabe als Erzieher
widmen.
Doch auch bei vollständigen
Familien kommt die Erziehung
der Kinder zu kurz, sobald den
Eitern Geld und Karriere wichti–
ger werden. So manches Kind
verliert da die Orientierung,
weil es, sich selbst überlassen,
zum Luxuswaisen geworden
ist.
Überall lauern heute ja die
Verführer: der Alkohol, das Ni–
kotin, das Rauschgift, die bruta–
le Videokassette, das Disco–
Getingel und nicht zuletzt die
schlecht bewachten Regale der
Kaufhäuser und Selbstbedie–
nungsläden.
JugendP-robleme gibt
es mehr als genug
E
in anderes Kapitel sind
die jugendlichen Ar–
beitslosen. Wer länger
ohne Beschäftigung ist,
resigniert leicht, kommt
sich überflüssig vor, kann den
Halt verlieren. Schwer haben
es auch die jungen Ausländer,
die sich in einer völlig fremden
Umgebung nun zurechtfinden
sollen .
Daneben sind solche Rand–
gruppen nicht zu vergessen wie
Rocker, Punker und Sekten–
Jünger, die alle ein mehr oder
weniger gestörtes Verhältnis zu
unserer Gesellschaft haben.
Diese knappen Streiflichter
zeigen: Jugendprobleme gibt es
mehr als genug. Daher haben
unsere Jugendämter viel zu tun.
Zunächst müssen sie voraus–
schauend planen. Der Amtslei–
ter und seine Mitarbeiter über–
legen ständig: Welche Einrich- ·
tungen oder Dienste sind not–
wendig? Wo fehlt eine Bera–
tungsstelle, ein Freizeitheim,
ein Spielplatz?
Um die Defizite herauszufin–
den, hat z. B. das Kreisjugend–
amt Aschaffenburg eigens ein
Forschungsinstitut beauftragt.
Es hat sich bei den jungen Leu–
ten erkundigt nach Ausbii-
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