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Ein Länderporträt über Palästina
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
Abeer Ayyoub ist eine streitbare Persönlichkeit. Die
29-Jährige ist das menschgewordene Anti-Klischee einer
Palästinenserin. Für manche ist sie von allem etwas zu
viel: zu selbstbewusst, zu laut, zu meinungsstark. Viel-
leicht muss sie das sein; der Beruf, den sie gewählt hat,
fordert sie, ihre Verwandten, ihre Freunde, ja, die Gesell-
schaft, in der sie lebt, jeden Tag aufs Neue heraus: Ayyoub
ist Reporterin und zwar eine, die es ernst meint mit den
Ansprüchen aus dem Lehrbuch für Qualitätsjournalis-
mus. Das ist an und für sich schon ein Grund, auf der
Hut zu sein in dem schmalen Streifen Land, der von der
islamistischen
Hamas
3
– von der EU als Terrororganisa-
tion eingestuft –, regiert wird. Um die Meinungsfreiheit
ist es in Gaza nicht gut bestellt: Die Islamisten
verbieten
beispielsweise Demonstrationen, die sich für eine Aussöh-
nung des innerpalästinensischen Bruderkriegs zwischen
3 Der Begriff bedeutet „Eifer“ und ist zugleich ein Akronym für
Harakat al-
Muqawama al-islamiya
, „islamische Widerstandsbewegung“. Eine ältere,
doch nichtsdestoweniger lesenswerte Analyse insbesondere der Ursprün-
ge der
Hamas
stammt von Joseph Croitoru: Hamas. Der islamische Kampf
um Palästina, München 2007.
der
Hamas
und ihrem säkular orientierten Gegenstück
Fatah
aussprechen, erzählt Ayyoub. Proteste, die der in
Gaza seit 2007 regierenden Partei in die Hände spielen,
werden dagegen geduldet: Nachdem Mahmud Abbas im
Herbst 2016 die Beerdigung des israelischen Politikers
Schimon Peres
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besuchte, brannten auf Gazas Straßen
Fotos des Palästinenserpräsidenten. Kritische Berichter-
stattung ist in Gaza dagegen unerwünscht.
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Abeer Ayyoub
ist aber nicht nur ein gutes Beispiel für eine Journalistin,
die um unabhängige Recherchemöglichkeiten innerhalb
einer autokratischen Gesellschaft kämpft. Nach der Mei-
nung nicht weniger Landsleute steht sie sogar mit dem
Teufel im Bunde: Die junge Frau schreibt auch für die
linksliberale israelische Tageszeitung
Ha’Aretz
.
Der Jahrzehnte währende Konflikt der arabischen
Nachbarstaaten mit dem jüdischen Staat beschränkt sich
4 Der Friedensnobelpreisträger ist am 28. September 2016 im Alter von 93
Jahren gestorben. Ein Nachruf auf den „Homo politicus“: Dominik Peters:
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, in: zenithonline, 28.09.2016,
http://zenithonline.org/schimon-peres-ist-tot-auf-der-suche-nach-der-verlorenen-zeit [Stand: 16.11.2016].
5 In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen werden
die Palästinensergebiete derzeit auf Platz 132 von 180 Staaten geführt.
Auch Freedom House schätzt die Pressefreit in allen Unterbereichen als
„nicht frei“ ein. Vgl.
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2016/Rangliste_
der_Pressefreiheit_2016.pdf;
https://freedomhouse.org/report/freedom-press/2016/west-bank-and-gaza-strip [Stand: 16.11.2016].
Die arabisch-israelischen Kriege
arabische Bezeichnung
israelische Bezeichnung
direkte Kriegsparteien
1948/49
„an-Nakba“
(„Katastrophe“)
„Unabhängigkeitskrieg“
Ägypten, Syrien, Libanon,
Transjordanien und Irak–Israel
1956
„Suez-Krieg“
„Sinai-Krieg“/„Operation Kadesh“
Israel, Großbritannien und
Frankreich–Ägypten
1967
„Juni-Krieg“
„Sechstage-Krieg“
Israel–Ägypten, Syrien und
Jordanien
1973
„Oktober-Krieg“/„Ramadan-Krieg“ „Yom-Kippur-Krieg“
Ägypten und Syrien–Israel
1982
„al-Ijtiyah“
(„Invasion“)
„Libanon-Krieg“
Israel–Palästinensische
Befreiungsorganisation (PLO) im
Libanon und Syrien
2006
„Juli-Krieg“/„33-Tage-Krieg“
„Zweiter Libanon-Krieg“
Israel–Hizbollah im Libanon