Table of Contents Table of Contents
Previous Page  21 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 21 / 80 Next Page
Page Background

21

Ein Länderporträt über Palästina

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

Die Grenze zu Israel ist komplett geschlossen, die Ägypter

öffnen jene zu ihrem Land ungefähr einmal im Monat –

wer nicht rechtzeitig wieder zurückkehrt, kommt nicht

mehr hinein. Die 29-jährige Abeer Ayyoub hat den Gaza-

streifen erstmals in ihrem Leben 2012 verlassen. Durch

die Abschottung der Menschen von der Außenwelt und,

begünstigt durch die Regierung der Islamisten, wird die

Gesellschaft Gazas immer konservativer und entfernt sich

auf diese Weise auch kulturell zunehmend von den Paläs-

tinenserinnen und Palästinensern im Westjordanland.

Einer Umfrage zufolge denken derzeit 46 Prozent der

Bevölkerung in Gaza über eine Emigration nach.

88

Eine

Palästinenserin aus Gaza, die namentlich nicht genannt

werden will, erzählt, dass in ihrer Heimat immer wieder

sogenannte „Ehrenmorde“ stattfinden. Sie berichtet von

einem Fall aus der eigenen Familie: Ein Cousin durfte die

Frau, die er liebte, nicht heiraten, weil seine Familie dage-

gen war – sie konnte das Mädchen nicht ausstehen. Nach-

dem er eine andere geheiratet hatte, begannen die beiden

Verliebten eine Affäre, von der die Nachbarn erfuhren.

88 Im Westjordanland sind es „nur“ 29 Prozent. Vgl. PSR (wie Anm. 33), S. 4.

Das Mädchen wurde von der eigenen Familie vergiftet; in

den Zeitungen wurde über die Todesursache geschwiegen.

Der Alltag in Gaza ist nicht nur aus kulturellen Grün-

den schwierig. Auch an Gegenständen des alltäglichen

Gebrauchs fehlt es hier: Die Stromversorgung zum Beispiel

hält oft nur wenige Stunden pro Tag. Noch schlimmer

steht es um die Wasserressourcen.

89

Die salzige Brühe, die

aus den Wasserhähnen Gazas fließt, ist in der Regel unge-

nießbar. Viele Familien versorgen sich mit selbstgebauten

illegalen Brunnen samt Wasserleitung unterhalb ihrer Häu-

ser – ein Haushalt investiert schon mal 350 Dollar dafür,

für viele ein Monatsgehalt. Aber auch dieses Wasser ist nicht

sauber, als Trinkwasser ist es jedenfalls nicht geeignet. Isra

Migdad, eine junge Palästinenserin aus al-Moghraka im

Gazastreifen, sagt, ihre 16-köpfige Familie kaufe 500 Liter

Wasser pro Woche bei Händlern in Gaza, die es in großen

Kanistern aus Israel herbeischaffen. Aufs Jahr gerechnet

koste das etwa 300 Dollar – bei einem durchschnittlichen

89 Zum Folgenden vgl. Martin Gerth/Matthias Hohensee/Philipp Mattheis/

Kristina Milz: Bis zum letzten Tropfen, in: WirtschaftsWoche 44/2014,

S. 82–90, hier S. 82ff.

Der Felsendom dominiert das Jerusalemer Stadtbild wie kein anderes Gebäude. Für Muslime heißt die Stadt

al-Quds

– „die Heilige“.