Table of Contents Table of Contents
Previous Page  23 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 23 / 80 Next Page
Page Background

23

Mittler zwischen Ost und West?

Einsichten und Perspektiven 3 | 16

nicht als Jahrzehnt des Aufbruchs in

Erinnerung bleiben.

Aus Bonner Sicht musste „deutsche

Russlandpolitik […] europäische Ost-

politik“ sein, d.h. sie musste multilateral

eingebettet sein und russische und mit-

telosteuropäische Interessen gleicherma-

ßen berücksichtigen.

7

Europäische Ini-

tiativen gegenüber Russland bemühten

sich, Reformprozesse zu unterstützen und

Anknüpfungspunkte zu eröffnen. Dazu

gehörten das 1994 ausgehandelte Part-

nerschafts- und Kooperationsabkommen

zwischen der EU und Russland und die

Gemeinsame Strategie der Europäischen

Union zu Russland von 1999. In beiden

Fällen war die Bundesregierung eine trei-

bende Kraft.

8

Die Reformimpulse, die die

EU für Mittel- und Osteuropa bot, ver-

sprachen derweil auch Vorteile für Russ-

land, das trotz aller Turbulenzen auf dem

Weg zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit

und Marktwirtschaft schien. Einen Kon-

flikt zwischen der europäischen Ost­

politik und russischen Interessen gab es

damals nicht.

Heikler erwies sich die Suche nach

einer neuen Sicherheitsordnung. Ungarn

hatte die NATO schon im Februar

1990 – noch vor dem Zerfall des War-

schauer Pakts – mit seinem Beitritts-

wunsch konfrontiert. Auch der tschechoslowakische Präsi-

dent Vaclav Havel hatte bereits im März 1991 gefordert,

dass sich die NATO als freiheitlich-demokratisches Bünd-

nis gleichgesinnten Nachbarn nicht verschließen könne.

9

Die Bundesregierung hoffte zunächst auf eine Rolle für

die paneuropäische KSZE (ab 1995 OSZE). Doch diese

war institutionell nicht hinreichend gerüstet. So wurde die

NATO, die für Westeuropa ohnehin unverzichtbar blieb,

zur Grundlage gesamteuropäischer Sicherheit.

Die NATO sah sich seit 1990/1991 in einer neuen

politischen Rolle bei der Gestaltung einer Friedensord-

7 Katrin Bastian: Die Europäische Union und Russland: Multilaterale und

bilaterale Dimension in der europäischen Außenpolitik, Wiesbaden 2006,

S. 147.

8 Vgl. Bastian (wie Anm. 7), S. 163 f.

9 Vgl. Johannes Varwick: Die NATO. Vom Verteidigungsbündnis zur Welt­

polizei?, München 2008, S. 97 f.

nung in Europa.

10

Die Gründung des Nordatlantischen

Kooperationsrats im Dezember 1991 sollte zur Vertrau-

ensbildung zwischen NATO-Mitgliedern, den ehemali-

gen Warschauer Pakt-Staaten und Moskau dienen. Die

Staaten Mittelosteuropas suchten derweil nach Jahrzehn-

ten sowjetischen Zwangs Schutz vor Russland. Schnelle

Beitritte stellte die NATO jedoch nicht Aussicht, weil

sie keinen Bruch mit Russland riskieren wollte, das der

Diskussion ablehnend gegenüberstand. Verteidigungsmi-

nister Volker Rühe untermauerte dies noch 1993, obwohl

er die Osterweiterungsdebatte in der NATO angestoßen

hatte und den Anliegen der mittelosteuropäischen Länder

10 Vgl. NATO: Londoner Erklärung. Die Nordatlantische Allianz im Wandel,

06.07.1990,

<www.nato.diplo.de/contentblob/1940774/Daten/.../1990_07_

London_DownlDat.pdf>; NATO: The Alliance’s New Strategic Concept,

07./08.11.1991, <www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_23847.htm>

[Stand: 04.09.2016].

ehem.

DDR

Polen

Russland

Estland

Lettland

Litauen

Weiß-

russland

Ukraine

Mold.

Ungarn

Tschechien*

Slowakei*

Rumänien

Bulgarien

Nach dem Ende des Kalten Krieges sind mehrere Staaten des von der Sowjetunion

angeführten Militärbündnisses Warschauer Pakt der Nato beigetreten. Russland hat

die Annäherung der Nato an seine Grenzen stets kritisiert.

Nato-Erweiterung in Osteuropa

20640

Albanien**

Warschauer Pakt

bis 1991

Nato

vor 1991

Nato-Beitritt

nach 1991

nicht in der Nato

ehemalige Sowjetunion

Nato-Beitritt

nach 1991

**nur bis 1968 im Warschauer Pakt

Quelle: Nato, Bundeszentrale für polit. Bildung

*ehemalige Tschechoslowakei

Abbildung: picture-alliance/dpa-Graphik