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Einsichten und Perspektiven 4 | 17
erpressen. Die neu konstruierten Feindbilder des „Spions“
und „Bourgeois“ ließen sich jederzeit nutzen, um geheim-
polizeiliche Übergriffe zu legitimieren.
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Die Tschekisten
selber feierten ihren Unterdrückungsapparat als „Schild
und Schwert der Partei“ und brachten dies stolz im Wap-
pen ihrer Behörde des Schreckens zum Ausdruck. Ohne
jegliche Bedenken erklärte Lenin damals: „Große Fragen
werden im Leben der Völker nicht durch Gesetze, sondern
durch Gewalt entschieden.“
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Dieses merkwürdige Ver-
ständnis von Politik ließ die revolutionäre Erbarmungs-
und Skrupellosigkeit zum fatalen Geburtsfehler des erst-
mals staatsgewordenen Sozialismus werden und bereitete
den Weg zu einer Herrschaft des politischen Terrors.
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72 Figes/Boris Kolonitskii (wie Anm. 32), S. 153-186.
73 Neutatz (wie Anm. 38), S. 157. Zu Lenins Verhältnis zur Gewalt vgl. aus-
führlich James Ryan: Lenin‘s Terror. The Ideological Origins of Early Soviet
State Violence, London 2012.
74 Zur Tscheka vgl. Werth (wie Anm. 38), S. 67-84; Kotkin (wie Anm. 59),
S. 241 f.; Koenen (wie Anm. 48), S. 763 f.
Das verzweifelte Ringen um Frieden
Als Lenin und seine Getreuen im Oktober 1917 die
Flucht nach vorn antraten und die sozialistische Revolution
wagten, waren sie überzeugt, das internationale Proletariat
würde ihnen zu Hilfe kommen. Die Revolution sollte von
Sowjetrussland aus überspringen und den revolutionären
Flächenbrand einerWeltrevolution entzünden. Ganz beson-
ders hofften die Bolschewiki auf den baldigen Aufstieg eines
„Sowjetdeutschland“, um so denWeltkrieg schnell beenden
zu können. Doch die wiederholten Revolutionsaufrufe an
die Völker der Welt verhallten ungehört. Die klassenbe-
wussten Arbeiter Großbritanniens und Deutschlands erho-
ben sich zu Beginn des Jahres 1918 nicht, auch wenn die
Kriegsmüdigkeit immer mehr um sich griff.
Zudem erschien es vielen Linken als ungeheuerlich, was
Lenin und die Bolschewiki in Russland veranstalteten. Von
Seiten der deutschen Sozialdemokratie attackierte vor allem
Karl Kautsky (1854-1938) Lenin. Er verurteilte die Okto-
berrevolution als frühreif und sah in ihr lediglich einen
konspirativen Staatsstreich, der allein dazu diene, die zari-
sche Autokratie durch eine neue Diktatur zu ersetzen. Eine
Verbesserung der Lebensumstände der ausgebeuteten rus-
sischen Bauern und Arbeiter hätten die neuen Machthaber
nicht erreicht. Statt die Gesellschaft zu humanisieren, hätten
die Bolschewiki sie mit ihrem ausufernden Verwaltungs-,
Partei- und Unterdrückungsapparat nur bürokratisiert und
terrorisiert. Die sozialistische Internationale lief also keines-
wegs mit wehenden Fahnen über zu den Bolschewiki, um
die Fackel der Revolution in alle Welt hinauszutragen.
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75 Vgl. Karl Kautsky: Die Diktatur des Proletariats, Wien 1918. Vgl. auch Mar-
cel van der Linden: Von der Oktoberrevolution bis zur Perestrojka. Der
westliche Marxismus und die Sowjetunion, Freiburg 1999, S. 20-25; Gleb
J. Albert: Das Charisma der Weltrevolution. Revolutionärer Internationa-
lismus in der frühen Sowjetgesellschaft 1917-1927, Köln 2017, S. 79-109.
Der polnische Bolschewik Feliks Dzeržinskij (1877-1926) organisierte im
Auftrag Lenins ab 1917 die sowjetische Geheimpolizei Tscheka, deren erster
Leiter er war. 1920/21 war er gleichzeitig Volkskommissar für Innere Angele-
genheiten, bis 1923 dann Volkskommissar für Verkehr.
Bild: sz-photo/Sammlung Megele
Hinrichtungsstätte der Tscheka in Kiew, undatiert
Foto: ullsteinbild/Archiv Gerstenberg
Der Russische Revolutionszyklus, 1905-1932 Teil 3