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Israel: Start-ups, Siedler und „smarte Pazifisten“

Einsichten und Perspektiven 3 | 17

ten Gleichgültigkeit gegenüber den schweren Themen des

Nahen Ostens: Hier scheinen Sex, Drogen und Electro-

Beats zu herrschen – es ist das in eine Stadt gegossene

Feindbild eines jeden Fundamentalisten. Die Straßen sind

nachts noch belebter als tagsüber, die Clubs brechend voll.

Wer sich nicht am Strand vergnügt, sitzt mit seinen Kum-

pels von der Uni im klimatisierten Café und grübelt bei

einem Latte Macchiato über der neuesten Geschäftsidee.

Natürlich ist diese Beschreibung eine Karikatur, die kaum

jemandem in der pulsierenden Stadt gerecht wird. Doch sie

trifft einen wahren Kern: „Ich könnte dort niemals leben“,

sagt der Lehrer Rabinowitz aus Sderot schlicht. Mit der

Start-up-Mentalität der Stadt, die er vor dem Hintergrund

des Konflikts, mit dem er sich jeden Tag auseinandersetzen

muss, als oberflächlich empfindet, kann er nichts anfangen.

Tel Aviv wird oftmals als Blase beschrieben, ein unbe-

schwerter Vorposten des Westens im Nahen Osten. Alles

ist möglich in Zeiten des Internets, man muss es nur aus-

reichend wollen und genug dafür tun. Dass den unbe-

grenzten Möglichkeiten in Tel Aviv auch etliche Probleme

im ganzen Land und darum herum gegenüberstehen –

schier unerträgliche Situationen wie die der Schüler in

Sderot zum Beispiel, die der Palästinenser in Gaza, die der

Menschen in Jerusalem, die sich vor Messerattacken fürch-

ten – hört man in der Metropole nicht gerne. Dass jemand

wegen des Nahostkonflikts auf die Straße geht, ist eher

selten – die Frauen von

Women Wage Peace

beispielsweise,

die laut eine politische Lösung des Konflikts einfordern,

38

sie fallen sofort ins Auge, irgendwie passen sie nicht ins

Straßenbild. Nicht selten sind Gespräche, die diese The-

men ansprechen, rasch beendet. Am Strand sei heute eine

stumme Demonstration der veganen Szene, antwortet eine

junge Israelin auf die Frage, ob sie sich politisch engagiert.

Man könne doch auch über die geniale Start-up-Szene der

Stadt sprechen, schlägt ein anderer vor.

Am besten geht man persönlich hin: Das „

State of Mind

Innovation Center

“ im Herzen Tel Avivs öffnete im Som-

mer 2016. Eine Ausstellung zeigt die Errungenschaften

der israelischen Unternehmer: die innovativsten Start-ups

und Apps, den Beitrag des Landes zu neuen Technologien

38 Vgl. die Homepage der Bewegung mit 20.000 registrierten Mitgliedern:

http://womenwagepeace.org.il/en/

[Stand: 20.09.2017].

Tel Aviv: Die Hauptstadt Israels befindet sich durch ihre Distanz zu den Palästinensergebieten relativ sicher, was sie zu einem beliebtem Ort für Strandurlaub

und Investitionen macht.

Foto: ullsteinbild-Fotograf: Sepp Spiegl