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Israel: Start-ups, Siedler und „smarte Pazifisten“
Einsichten und Perspektiven 3 | 17
deren Produkte. Nach geraumer Zeit unterbricht einer der
Zuhörer den Mann ungeduldig – er würde gerne mehr
über die politische Situation, über den Konflikt und die
Rolle der Siedlungen erfahren. Der jüdische Winzer aus
dem Westjordanland bemerkt zunächst, er verstehe die
Frage nicht. Dann spricht er über das gute Verhältnis
zu seinen palästinensischen Nachbarn und wie er sich
gemeinsam mit seiner Frau vor Jahren in die Landschaft
verliebt habe, weshalb die beiden entschieden hätten, ins
Westjordanland zu ziehen. Es sei doch in Europa auch
kein Problem, den Wohnort zu wechseln. Der Konflikt
interessiere ihn nicht, denn er habe nichts damit zu tun.
Die politische Dimension seines Handelns ignoriert der
Mann.
Eine ganz ähnliche Situation zeigt die vielleicht meist
diskutierte deutsche Dokumentation des Jahres, die im
Juni 2017 für Schlagzeilen sorgte.
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Wer sich den ein-
einhalbstündigen Film ansieht, erfährt von einer Fabrik
namens
Lipski Plastic
in der jüdischen Siedlung Ariel im
Westjordanland, in der alle 90 Angestellten, auch die 50
palästinensischen, gleiche Rechte genießen. „Hergestellt
wird vom Papierkorb bis zum Klodeckel alles“, beschreibt
der Sprecher die Firma. „In dreißig Arbeitsjahren mit
Israelis ist mir nie etwas Schlechtes widerfahren“, sagt
33 Die Filmemacher erhielten vom
Westdeutschen Rundfunk
und
ARTE
den
Auftrag, über den Antisemitismus in Europa zu berichten. Sie erstell-
ten eine Dokumentation namens „Auserwählt und ausgegrenzt“, die
überwiegend im Nahen Osten spielt. Der ARTE-Programmchef weigerte
sich, den Film zu zeigen – es sei nicht das geliefert worden, was man in
Auftrag gegeben habe. Eine erbitterte Zensur-Debatte entbrannte in den
deutschen Medien. Die
BILD
-Zeitung stellte das Material 24 Stunden auf
ihre Homepage, mittlerweile wurde der Film, mit Kommentaren verse-
hen, gesendet. Vgl. Pressestatement zur Dokumentation „Auserwählt und
ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“, 13.06.2017, http://www.
presseportal.de/pm/9021/3658895[Stand: 20.09.2017].
Blick vom Ölberg auf das Westjordanland mit der von Israel errichteten Grenzmauer
Foto: Picture alliance/dpa