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Die Gesundheitsberichte des Landgerichtsarztes Dr. Schleis von Löwenfeld (1772-1852)

Einsichten und Perspektiven 3 | 17

mit der Dissertation „Warum ist die Sterblichkeit der neu-

gebohrnen Kinder so groß?“

5

Dieses Thema ist im Zusammenhang mit dem von ihm

erwähnten Johann Peter Frank (1745-1821) und dessen

„medizinische[r] Polizey“

6

zu sehen: Bevölkerungswachs-

tum und Gesundheit der Bevölkerung wurden zentrale

staatliche Anliegen. Schleis von Löwenfeld wandte sich in

seiner Arbeit gegen den damals weit verbreiteten Aber-

glauben und plädierte für mehr Wissenschaftlichkeit in

der Geburtshilfe, für die Errichtung von Geburtshäusern

und eine fundierte Ausbildung von Hebammen. Die hohe

Sterblichkeit unehelicher Kinder führte er auf die schwie-

rige soziale Situation lediger Mütter, auf Armut und Ver-

nachlässigung zurück. Als Gegenmittel empfahl er die

Beschleunigung und Erleichterung von Eheschließungen

oder aber die Verhängung von Straf- und Erziehungsgel-

dern für heiratsunwillige Männer, die damit Waisenhäu-

ser oder Pflegemütter für die Betreuung der unehelich

geborenen Kinder finanzieren sollten. Als Ursachen für

die Sterblichkeit ehelich geborener Kinder erkannte er

erbliche Schwächen und Erkrankungen der Eltern, aber

auch „Ausschweifungen“, also ungesundes Verhalten,

und schwere Arbeit. Kritisch beurteilte er, dass in den

Städten das Stillen aus der Mode gekommen sei. Dass er

selbst Zweifel an der raschen Umsetzbarkeit seiner Ideen

und Vorschläge hatte, ließ er mit der Schlussbemerkung

erkennen: „[…] und ich habe ja ohnehin nur gedacht, und

meine Gedanken werden vielleicht nach vielen Generatio-

nen noch ein frommer Wunsch bleiben“.

7

Berufsanfänge in Sulzbach

Nach dem Studium und einer Bildungsreise assistierte

Schleis von Löwenfeld seinem Vater in Sulzbach als beige-

ordneter Stadtphysikus. Im November 1794 gründete er

dort mit Unterstützung des Vaters eine „Bildungsanstalt

für junge ungebildete Wundärzte“. Angehende Bader und

Land- und Wundärzte sollten sich Kenntnisse auf verschie-

denen Gebieten der Heilkunde aneignen und wurden z.B.

5 Christoph Raphael Schleis von Löwenfeld: Warum ist die Sterblichkeit der

neugebohrnen Kinder so groß, Sulzbach 1794, vgl.

http://reader.digitale- sammlungen.de/resolve/display/bsb10842036.html

[Stand: 21.09.2017].

6 Johann Peter Frank: System einer vollständigen medicinischen Po-

lizey, Mannheim 1779, vgl.

http://gdz.sub.uni-goettingen.de/index.

php?id=15&PPN=PPN333514955&L=1 [Stand: 21.09.2017], siehe auch

Rüdiger Haag: Johann Peter Frank (1745–1821) und seine Bedeutung für

die Öffentliche Gesundheit. Diss. med. Homburg/Saar 2009, S. 18. „Medi-

zinische Polizey“ ist demnach heute als behördlich organisiertes Gesund-

heitswesen zu verstehen.

7 Vgl. Schleis von Löwenfeld (wie Anm. 4), S. 56.

in Anatomie, Krankheits- und Arzneimittellehre unterrich-

tet. Dieser Personenkreis wurde damals nicht an Hoch-

schulen ausgebildet, sondern erwarb das für die Tätigkeit

notwendige Wissen imRahmen einer Handwerkslehre oder

auf besonderen Chirurgenschulen. Akademische Ärzte, die

ein Universitätsstudium absolviert hatten, waren gerade auf

dem Lande rar und zudem teurer als Bader oder Wund-

ärzte, die daher von der Bevölkerung als Behandler bevor-

zugt wurden. Überdies vertraute sich das einfache Volk

vielfach Laien wie Hirten, Schäfern und Scharfrichtern an.

Aus dem Jahr 1797 ist eine in Sulzbach erschienene

Druckschrift von Schleis von Löwenfeld überliefert:

„Zuruf an die Bewohner der oberpfälzischen Herzog-thü-

mer, wegen Vertilgung der schädlichen Waldraupen“.

8

Er

8 Christoph Raphael Schleis von Löwenfeld: Zuruf an die Bewohner der ober-

pfälzischen Herzogthümer, wegen Vertilgung der schädlichen Waldraupen,

Sulzbach 1797, vgl.

https://books.google.de/books?id=Z8FBAAAAcAAJ

[Stand: 21.09.2017].

Baderstube im 17. Jahrhundert, Gemälde von Wolf Kilian

Abbildung: interfoto/Sammlung Rauch