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Die Gesundheitsberichte des Landgerichtsarztes Dr. Schleis von Löwenfeld (1772-1852)

Einsichten und Perspektiven 3 | 17

Luxus, worunter Unnatürliches, Erkünsteltes und Über-

spanntes zu verstehen sei, stuft er als gesundheitsschäd-

lich ein. Dazu zählt er zum Beispiel die panzerartigen

Schnürbrüste und vielen dicken Röcke, die den schlanken

Wuchs von gutgeformten Mädchen verstümmelten, die

Verdauung störten und Brustkrankheiten verursachten.

Auch beim an sich „unschuldigen“ Kartenspiel sieht er

eine Gesundheitsgefahr im Hinblick auf die lange sitzende

Körperhaltung und den Verdruss über oft erlittenen Ver-

lust. Bezüglich der Neugeborensterblichkeit, mit der er

sich bereits im Rahmen seiner Dissertation befasst hatte,

weist er auf Faktoren wie angeborene und ererbte Krank-

heiten, Unreinlichkeit und falsches Verhalten hin.

Schleis von Löwenfeld beklagt, dass seine Arbeit als

erster, ordentlich geprüfter und approbierter Stadtphysi-

kus nur von manchen Einwohnern geschätzt werde. Diese

gingen statt zum Arzt zu einem unqualifizierten Wundarzt

und einen gleichfalls medizinischen Unfug treibenden

Bader sowie zu „Hebammen, Pfuschern, Schmieden, Hir-

ten, Schindern und alten Weibern“. Deutliche Kritik übt

er an der örtlichen Polizei, die zwar ein Augenmerk auf die

öffentliche Ruhe, die Bequemlichkeit der Bürger, die gute

Qualität und Quantität des Brotes, des Bieres und des

Fleisches habe, aber z.B. zu wenig gegen Wucherer unter-

nehme, wobei er auch das Problem der Vetternwirtschaft

anspricht: […] „aber die bisherige Aufsicht war dennoch

zu schwach, um den einzelnen Interesse verjährter Wuche-

reyen Einhalt zu thun. – Noch sind hier, wie an mehreren

Orten Vater, Brüder, Vettern, Gevatter, Schwäger, Baßen,

und mehrere dergleichen freundschaftliche Verbindungen

imWege, wo nach erfüllter Pflicht die bittersten Vorwürfe

folgen würden.“

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In seinem Bestreben, nützlich zu sein, will Schleis

v. Löwenfeld nicht nur Kritik an den herrschenden

Zustände üben, sondern auch zahlreiche Verbesserungs-

vorschläge unterbreiten: So regt er u.a. die Drainage der

vielen Sumpfgebiete an, um der schädlichen feuchten Luft

entgegenzuwirken. Die durch Dünger, Menschenkot und

freilaufende Tiere verunreinigten Straßen sollten besser

gesäubert werden. Für Kranke gebe es Arzt und Wundarzt,

für arme oder fremde Kranke seien zwar ein Seelenarmen-

und ein Siechenhaus vorhanden, die aber sehr schlecht

ausgestattet seien.

Im letzten Kapitel seiner Ortsbeschreibung legt er seine

Wetterbeobachtungen von Mai 1798 bis Mai 1799 vor

und verknüpft sie mit seiner Feststellung, dass bestimmte

15 Schleis von Löwenfeld (wie Anm. 10), S. 36 f.

fieberhafte Erkrankungen und Rheumatismen im offen-

bar recht feuchten Sommer oder Entzündungen ver-

schiedener Eingeweide im sehr kalten Winter gehäuft

aufgetreten seien. Hierzu präsentiert er eine tabellarische

Übersicht der von ihm behandelten Kranken und Krank-

heiten innerhalb eines Jahres. Von 458 Kranken wurden

420 gesund, 14 verstarben. Insgesamt seien 1798 in der

Pfarrei Schwandorf 116 Geburten und 96 Sterbefälle, dar-

unter 45 im 1. Lebensjahr, verzeichnet worden.

Mit seiner Medizinischen Ortsbeschreibung habe

Schleis v. Löwenfeld in Schwandorf „viel Staub aufgewir-

belt“. Seine Kritik habe ihm viel Feindschaft eingebracht,

aber schließlich doch eine weitgehende Besserung der Ver-

hältnisse bewirkt.

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Heirat und Einsatz als Militärarzt

Am 2. Januar 1799 heiratete er die Hebamme Eusebia

Bronold. Aus dieser Ehe gingen drei (überlebende) Kinder

hervor, die Tochter Franziska und die Söhne Max und Karl.

Seine Zeit als Stadtphysikus wurde durch einen frei-

willigen Einsatz von 10. August 1800 bis April 1801 als

„Feldmedicus“ im Rahmen der Napoleonischen Kriege

abgelöst. Im kurfürstlichen Feldlazarett in Schwandorf

versorgte Schleis von Löwenfeld verwundete Soldaten.

Alliierte österreichisch-bayerische Truppen kämpften zu

dieser Zeit gegen die nach Süddeutschland vorrückende

französische Armee. Kurfürst Maximilian musste Ende

Juni 1800 aus München fliehen und ging am 7. Juli mit

seinem Hofstaat und Minister Montgelas nach Amberg,

wo sie sich bis zum 1. Dezember aufhielten.

17

In der

Schlacht bei Hohenlinden (Oberbayern) am 3. Dezem-

ber 1800 erlitt das österreichisch-bayerische Heer eine

vollständige Niederlage gegen die französische Armee,

was u.a. in der Folge zur späteren Erhebung Bayerns zum

Königreich „von Napoleons Gnaden“ am 1. Januar 1806

führte.

Physikus und Landgerichtsarzt in Sulzbach, Medizi-

nische Topographie von Sulzbach

Am 19. Juni 1801 trat Schleis von Löwenfeld die durch

den Tod des Vaters am 9.12.1800 vakant gewordene, deut-

lich besser dotierte Stelle als Physikus in Sulzbach an. In

diese Zeit fiel die Reorganisation und Modernisierung

16 Haffner (wie Anm. 3), S.79.

17 Heimatkundlicher Kreis Amberg - Sulzbach und Josef Dollacker: Dolla-

cker-Chronik Teil II: Die Geschichte der Stadt Amberg und ihres Umlandes

vom Spanischen Erbfolgekrieg bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhun-

dert. Der Eisengau, Band 28, Amberg 2008, S.40.