Table of Contents Table of Contents
Previous Page  72 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 72 / 80 Next Page
Page Background

72

Politische Bildung und Integration im digitalen Zeitalter

Einsichten und Perspektiven 2 | 16

Aber befördern andererseits die digitalen Medien nicht

auch die gewünschte Breitenwirkung des Politischen in

die Bevölkerung hinein, angesichts einer flächendecken-

den Internet-Präsenz? Ergibt sich daraus nicht auch ein

umfänglicher Begründungs- und Rechtfertigungsdruck

seitens der Öffentlichkeit gegenüber den politisch Ver-

antwortlichen, welcher der demokratischen Transparenz

dient? Tragen die vielfältigen Möglichkeiten, sich aus

verschiedensten Quellen politisch zu informieren, nicht

auch zur politischen Bildung in einer freiheitlichen und

pluralen Gesellschaft bei? 

27

Welchen Beitrag zur Bewälti-

gung der digitalen Herausforderung können oder müssen

Schule und politische Bildung leisten?

Allein aus diesen wenigen Fragen resultieren zukunfts-

weisende wissenschaftliche und pädagogische Fingerzeige

für die politische Bildung, die hier im Einzelnen nicht

besprochen werden können. ImKern geht es um das Erken-

nen von Chancen und Grenzen digitaler Medien, denen die

Politikvermittlung und das politische Lernen gegenüber-

stehen: um den zentralen Begriff der Medienkompetenz.

Einige wesentliche Aspekte werden im Folgenden skizziert.

Auftrag: politische Medienkompetenz

Wenn Kultur und Gesellschaft zunehmend von der Medi-

enkommunikation geprägt werden und die so verstandene

Mediatisierung den Stellenwert erhält als „ähnlich über-

greifender Entwicklungsprozess wie Globalisierung oder

Individualisierung“, wie dies der Bremer Kommunika-

tions- und Medienwissenschaftler Friedrich Krotz formu-

liert, gehört die Aufklärung über solche Prozesse zum urei-

genen Geschäft politischen Bildens und Erziehens. Umso

mehr, als er unter Mediatisierung die „Unterordnung

von Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur unter

die Logik und Zwänge einer immer mehr und umfassen-

der medial geprägten Welt“ meint. 

28

Verlieren dadurch

die existenziellen und kulturellen Ordnungsformen des

Zusammenlebens ihren anthropologischen Selbstwert?

Eine politische Medienerziehung muss die Nutzer als poli-

tische Bürger begreifen und sie in die Lage versetzen, diese

Entwicklung kritisch zu beleuchten, die Medienmacher zu

hinterfragen und die Medien selbst reflektiert zu gebrau-

chen. Zielkategorie solcher Bemühungen ist der mündige

politische Bürger, der sich der multimedialen Angebote

bedienen kann und ihnen gleichzeitig im Wissen um

27 Vgl. hierzu auch Besand (wie Anm. 14), S. 367.

28 Andreas Kalina: Mediatisierte Gesellschaften. Kommunikation und Sozi-

alwelten im Wandel, in: Akademie für Politische Bildung Tutzing (Hg.):

Akademie-Report 02/2016, S. 6.

ihre Funktionslogik aufgeklärt gegenübersteht. Mit dieser

Beschreibung sind zwei Hauptstränge politischer Medien-

kompetenz im digitalen Zeitalter umrissen. 

29

Politische Bildung klärt auf

Zum einen muss politische Medienkompetenz zur Schu-

lung der rationalen Urteilsbildung das Wissen über medi-

ale Funktionsweisen vermitteln und ihren Einfluss auf die

menschlichen Lebensbereiche beleuchten. Ein aufgeklärter

Mediennutzer sollte beispielsweise erkennen und angemes-

sen beurteilen können, welche Autoren und Urheber, Inter-

essen und Absichten hinter den medialen Angeboten stehen,

welche Informationen und Inhalte seriös oder dubios, nütz-

lich oder schädlich bzw. welche Handlungen riskant oder

gar verboten sind, auch und gerade im Bereich des Politi-

schen. Denn das eigentlich Politische wird eher unschär-

fer und unklarer, je unübersichtlicher die neuen medialen

Erscheinungsweisen von Politik sind und je mehr sie sich

um Darstellung und Inszenierung bemüht. 

30

Deshalb

gehört notwendig zur Medienkompetenz die Fähigkeit zur

Bewertung, „in der Informationsflut das Wesentliche vom

Unwesentlichen zu unterscheiden“, 

31

sowie die Fähigkeit zur

bewussten und gezielten Auswahl medialer Angebote. Dies

umso mehr, als die algorithmische Steuerung durch Such-

maschinen und soziale Netzwerke immer mehr dazu führt,

dass Mediennutzer zunehmend nur noch jene Informatio-

nen suchen und erhalten, die sie bislang in ihrer medialen

Biografie bevorzugten und die damit ihre Anschauungen

und Dispositionen einseitig manifestieren: „Man rezipiert

vorrangig das, was einen zufrieden und glücklich macht“,

so Caja Thimm. 

32

Dieses in der medienwissenschaftlichen

Diskussion als „Echokammer“ oder „Filterblase“ bezeich-

nete Phänomen beeinflusst stark die kommunikative Mei-

nungs- und Urteilsbildung und trägt ihr zufolge dazu bei,

dass digitale Öffentlichkeitsstrukturen stark fragmentiert

sind, indem separate Teilöffentlichkeiten

(„Mini Publics“

wie auf Facebook und Twitter) nebeneinander existieren,

zwischen denen aber kein relevanter Diskurs stattfindet. 

33

Dies führt zur Frage, wie repräsentativ die politische Mei-

nungsbildung in sozialen Netzwerken sein kann und wel-

cher Stellenwert ihr folglich beigemessen werden darf.

29 Zu den Dimensionen von Medienkompetenz siehe auch Schaumburg (wie

Anm. 8), S. 50 f.

30 Vgl. Besand (wie Anm. 14), S. 368.

31 Zit. n. Kalina

32 Kalina, (wie Anm. 28), S. 8. Vgl. auch Besand (wie Anm. 14), S. 368.

33 Ebd.