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Politische Bildung und Integration im digitalen Zeitalter
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
wäre. Digitalisierung – das Ende
der Bildungsferne? Wohl kaum,
denn mit der bloßen Nutzung
technischer Geräte und digita-
ler Medien ist per se noch keine
substanzielle Bildung verknüpft.
Wohl aber werden dadurch die
Arbeits-, Rezeptions- und Lern-
weisen strukturell verändert.
Mit der Digitalisierung wer-
den zudem einige Erwartungen
verbunden, die den Bildungs-
prozess bei den Lernenden ver-
bessern könnten. Ein zentraler
Aspekt dabei ist deren individu-
elle Förderung. Ausgangspunkt
hierfür ist nicht zuletzt das bil-
dungspolitische Postulat, dass
Schule von der Vielfalt der Ler-
nenden ausgehen soll. Unterricht
nach demMotto „Alle lernen das
Gleiche zur selben Zeit am selben
Ort“ mutiert im digitalen Zeital-
ter zum Auslaufmodell. Berücksichtigt man indes individu-
elle Lernvoraussetzungen, Lernbedürfnisse und Lernmög-
lichkeiten, kann sich Unterricht folglich „nicht mehr an
dem Lernstand eines (vermuteten) Gruppendurchschnitts
orientieren, sondern muss in der Planung und Umsetzung
so angelegt sein, dass die Lernenden ihre individuellen
Möglichkeiten entfalten können und bei ihren vielfältigen
Lernerfahrungen unterstützt werden.“
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Hierbei kann das
kreative Potenzial digitaler Medien wirksam werden,
•
indem den Lernenden ein vielfältiges und differenzie-
rendes Material bereitgestellt wird bzw. sie gemäß ihren
Kenntnissen oder InteressenMaterialien selbst auswählen;
•
indem multimediale Materialien alternative Zugänge
zum Lerngegenstand schaffen, z.B. durch Audio- und
Videosequenzen, Simulationen, Animationen;
•
indem interaktive Übungen mit individuellen Rück-
meldungen das Selbstlernen fördern;
•
indem das gemeinsame Arbeiten an Projekten und Pro-
blemen auch im Internet das kooperative Lernen und
die Sozialkompetenzen stärkt;
6 Richard Heinen/Michael Kerres: Individuelle Förderung mit digitalen Me-
dien. Handlungsfelder für die systematische, lernförderliche Integration
digitaler Medien in Schule und Unterricht, in: Bertelsmann Stiftung (Hg.):
Individuell fördern mit digitalen Medien. Chancen, Risiken, Erfolgsfakto-
ren, Gütersloh 2015, S. 98.
•
indem sie über das Klassenzimmer hinaus Lernräume
öffnen und die Teilhabe an weltweiten und vielfältigen
Diskursen und Expertisen erleichtern;
•
indem Lernorte und Lernzeiten inner- und außerschu-
lisch flexibel organisiert werden können und das zuneh-
mend selbstgesteuerte Lernen sowohl Bedingung als
auch Ergebnis ist.
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Digitale Medien werden mit ihren Möglichkeiten und
Anforderungen künftige Lern- und Bildungsprozesse prä-
gen und eine neue Arbeits- und Lernkultur konstituieren.
Dies umso mehr, als der Wirtschafts- und Arbeitssektor
die mit der Digitalisierung verbundenen Ansprüche und
Erfordernisse an die Bildungs- und Erziehungsinstitutio-
nen weiterreicht. Sollen die Schüler den Anschluss an die
digitale Berufswelt halten, steht die Medienkompetenz als
„unverzichtbare Schlüsselqualifikation“
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auf der Tagesord-
nung. Dass dies hierzulande eine dringliche Aufgabe ist,
beweist die „International Study on Computer and Infor-
mation Literacy“ (ICILS) 2013. Sie nahm die Computer-
7 Vgl. ebd., S. 98–103.
8 KMK 2012, in: Heike Schaumburg: Chancen und Risiken digitaler Me-
dien in der Schule. Medienpädagogische und -didaktische Perspektiven,
in: Bertelsmann Stiftung (Hg.): Individuell fördern mit digitalen Medien.
Chancen, Risiken, Erfolgsfaktoren, Gütersloh 2015, S. 13.
Basis: Befragte denen es sehr wichtig/etwas wichtig ist, über neue Entwicklungen zum Themenbereich schnell
Bescheid zu wissen; Angaben in Prozent
Quelle: JIM 2015