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Politische Bildung und Integration im digitalen Zeitalter

Einsichten und Perspektiven 2 | 16

Kommunikation und Zusammenarbeit: Die digitalen

Kommunikationskanäle können für politische Bildung

fruchtbar genutzt werden, indem zu politischen Akteuren,

Experten oder Institutionen der direkte Draht für Infor-

mation und Austausch gesucht wird, z.B. über Facebook,

Twitter oder E-Mail. Zudem sind Kommunikation und

Kooperation beim gemeinsamen Arbeiten an Projekten in

virtuellen Arbeitsräumen einfach und global zu gestalten.

Diskussionsforen, Chats, Wikis oder BarCamps via Goog-

leDocs oder Etherpad sind Beispiele für neue Formate und

Veranstaltungsformen für digitale Zusammenarbeit.

Simulation und Planspiele: Das Simulieren komplexer

politischer oder sozialer Prozesse bietet sich gerademittels digi-

taler Medien an. Computerbasierte Spielformen unterstützen

hierbei das Nachvollziehen sozialer und politischer Vorgänge

und Entscheidungen mittels planspielerischer Simulation.

Dabei werden Lerneffekte durch multiperspektivische Rol-

lenübernahmen ebenso gefördert wie Ambiguitätstoleranz.

Übung und Lernen: Das nahezu unüberschaubare

Reservoir an digitalen Lernangeboten bietet auch für poli-

tische Bildung umfangreiche Möglichkeiten. So können

das Interesse an politischen Themen und der politische

Wissenserwerb durch Online-Kurse von Bildungsträgern,

digitale Video-Tutorials oder Open Data wie schulisches

oder wissenschaftliches Lehr- und Unterrichtsmaterial

angeregt oder gefördert werden. Diese

Open Educational

Resources

(OER) erfahren als frei zugängliche, kombinier-

bare und veränderbare Lerninhalte eine immer größere

Verbreitung bei der digitalen Wissensvermittlung.

Ordnung und Archivierung: In der politischen Bildung

sind auch digitale Werkzeuge nützlich und notwendig, mit

denen einzelne Arbeitsschritte erledigt werden. Solche soft-

warebasierten Programme helfen z.B. beim Erstellen von

Mindmaps, beim Aufzeichnen und Auswerten von Inter-

views oder beim Auswerten und Aufbereiten empirischer

Daten und sind oftmals als Open Source frei lizensiert.

Gestaltung und Präsentation: Mit Hilfe digitaler Me-

dien können mit den genannten Werkzeugen und Pro-

grammen auch eigene Medienprodukte hergestellt und

veröffentlicht werden (z.B. multimediale Präsentationen,

Internetseiten, Flyer, Schaubilder oder Videoclips). 

39

Problemfelder digitaler Medien

Die Grenzen digitaler Lernmittel mögen weniger darin lie-

gen, dass sie für politisches Bilden und Lernen zu wenig

39 Vgl. Besand (wie Anm. 14), S. 480ff., Schaumburg (wie Anm. 8), S. 58–61,

Schröder (wie Anm. 24), S. 445–448.

bewirken könnten. Ebenso wenig liegt es im Computer oder

Fernsehgerät selbst begründet, ob sie zum politischen Lernen

beitragen. Entscheidend ist vielmehr, dass und wie das Poten-

zial digitaler Medien didaktisch und methodisch kompetent

umgesetzt wird, um darüber politische Lernprozesse zu erzie-

len. Denn weder ein fachlicher Bildungszuwachs noch eine

gesteigerte Medienkompetenz ergeben sich bereits aus dem

Gebrauch von Medien. Dem gemäß lassen sich Bildungsun-

gleichheiten bei digitalen Kompetenzen auch nur durch den

Abbau von Ungleichheiten bei traditionellen Bildungskom-

petenzen reduzieren. Zu diesem Ergebnis kam 2015 eine

PISA-Studie der OECD. Demnach sei vielmehr die grund-

legende Verbesserung der Lese- und Schreibfähigkeit eine

relevante Voraussetzung für den Erwerb digitaler Kompetenz

als der bloße Zugang zu digitalen Medien. 

40

Außerdem gehe

es laut OECD bei der digitalen Bildung nicht um Quan-

tität, sondern um Qualität. Denn bloße Informationen aus

dem Internet allein seien noch kein Lernfortschritt. Und die

Planung einer Recherche, das Unterscheiden wichtiger von

unwichtigen Inhalten oder das Einschätzen der Glaubwür-

digkeit einer Quelle müssten auch erst erlernt werden. 

41

Des Weiteren hängt die Realisierung der vielfältigen Po-

tenziale digitaler Medien wesentlich von den schulischen

Rahmenbedingungen ab. Dazu zählen neben der techni-

schen Ausstattung vor allem die Einstellung und medi-

ale Kompetenz der Lehrkräfte. In beiden Bereichen hat

Deutschland noch erheblichen Nachholbedarf. Befindet sich

die Bundesrepublik bei der Ausstattung im internationalen

Vergleich noch im Mittelfeld, belegt die größte europäische

Wirtschaftsnation bei der Nutzungshäufigkeit den letzten

Platz und weist auch der Förderung digitaler Kompetenzen

im Unterricht nur eine marginale Rolle zu.

 42

Diesen Befund

spiegelt auch die eher negative Einschätzung der technischen

Ausstattung seitens der Lehrer wider. 

43

Obwohl die Mehr-

heit der deutschen Lehrer der unterrichtlichen Nutzung di-

40 Vgl. didacta-magazin, 4/15, S. 29.

41 Gerhard E. Ortner: „Fremdlernen“ oder „Digitale Bildung“?, in: L.A. Multi-

media, Magazin für Didaktik und digitale Medien, 4/2015, S. 49.

42 Bei der Computerausstattung steht Deutschland noch nicht auf dem Ni-

veau, das die USA vor zwanzig Jahren hatten, sondern ist vergleichbar mit

Polen, Tschechien, der Slowakei oder Litauen. Knapp die Hälfte der Schüler

gibt an, im Unterricht keinen Computer zu nutzen. Vgl. Schaumburg (wie

Anm. 8), S. 55ff.

43 Von 501 befragten Lehrern an allgemeinbildenden Schulen (Sekundar-

stufe 1) schätzten 3% die PC-Ausstattung und den Internetzugang an

ihren Schulen als sehr gut, 24% als gut ein. Dagegen bewerteten 48% die

Ausstattung als mittelmäßig, 18% als schlecht, 7% als sehr schlecht. Vgl.

Florian Sochatzy: Das multimediale Schulbuch (mBook) – Von der Theorie

in die Praxis: Konzeption, Produktion und empirische Prüfung eines medi-

alen Geschichtsbuches, Inaugural-Dissertation, Eichstätt 2016, S. 17.