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Politische Bildung und Integration im digitalen Zeitalter

Einsichten und Perspektiven 2 | 16

sprechend sind digitale Medien beim „Entwickeln und

Vertreten einer eigenen Position“ und bei der Förde-

rung der Problemlösekompetenz, nicht aber beim Fak-

tenwissen. Und auch ein „Mehr“ an digitalem Medien-

gebrauch sowie „Technologien, die eine eigenständige

Instruktion unabhängig vom Unterricht liefern“ brin-

gen einer LMU-Studie zufolge keinen bzw. nur mäßi-

gen Lerneffekt. Dagegen weisen Untersuchungen darauf

hin, dass auch beim digitalen Mediengebrauch zur com-

puterunterstützten Zusammenarbeit und Diskussion

der Lernenden strukturierende Hilfen nötig sind, um

ihre Kooperationskompetenzen zu stärken. 

50

Hingegen wird besonders der in den deutschen Lehr-

plänen verankerten kompetenzorientierten Arbeitsweise

die Fähigkeit zugeschrieben, fruchtbare Lernumgebungen

zu schaffen, in denen digitale Medien ihr Potenzial ent-

falten können, anwendbares und übertragbares Wissen

zu generieren. Das sei bisher noch zu wenig geschehen,

so Florian Sochatzy. Er moniert daher in diesem Zusam-

menhang ein „grundsätzliches Umdenken schulischer

Bildungstraditionen“, da „nur ein grundlegender Wandel

von der uniformen Wissensschule zur individuellen Kom-

petenzschule adäquat auf die Herausforderungen der digi-

talen Welt reagieren“ könne. Dabei geht es ihm zufolge

auch um „radikale Veränderungen in allen Bereichen der

schulischen und universitären Bildung: Lehrerausbildung,

Lehrerfortbildung, allgemeine Rahmenbedingungen von

Schule, Finanzierung von Ausstattung etc.“ 

51

Integration und digitale Medien

Unterdessen ist mit der notwendigen gesellschaftlichen

Eingliederung von Migranten eine staatliche Herkulesauf-

gabe erwachsen, die vor allem auch die Bildungspolitik

fordert. Im Anschluss an grundsätzliche Vorüberlegungen

zum Thema soll im Folgenden exemplarisch umrissen

werden, wie ein digitales Medium unter den Vorzeichen

von Migration und Integration sinnbringend eingesetzt

werden kann. Indes nicht in dem Sinne, dass das Grund-

gesetz auf Arabisch aus dem Internet herunterzuladen

ist. 

52

Vielmehr wird hierbei ein wissenschaftlich-didakti-

scher Ansatz gewählt, der das Potenzial digitaler Medien

für politische Bildung entfaltet.

50 Vgl. Fischer/Wecker/Stegmann (wie Anm. 48), S. 1–3.

51 Sochatzy (wie Anm. 43), S. 9.

52 Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet den Flüchtlingen aus dem

arabischen Sprachraum das Grundgesetz auf Arabisch als Druck- und On-

lineausgabe kostenlos an. Vgl. POLIS, 1/2016, S. 5.

Hypothetische Ausgangslage

In unserem Land werden künftig noch mehr Menschen

unterschiedlicher Herkunft und Religion, aus unterschied-

lichen Kulturen, mit unterschiedlicher Sozialisation und

unterschiedlichem Bildungsstand leben als heute schon. Die

Bevölkerung wird hinsichtlich ihres soziokulturellen Hin-

tergrunds somit noch vielfältiger und heterogener, so ver-

standen also multi-kultureller. Die Einsicht, dass Migration

und sozialer Wandel in der Geschichte der Menschheit kein

Ausnahme-, sondern Normalfall ist, stellt eine wesentliche

Voraussetzung für einen rationalen Umgang mit der Einglie-

derung dar. Hierbei spielt gerade die politische Bildung von

Migranten

und

Einheimischen eine besondere Rolle, zumal

Integration keine Einbahnstraße ist, egal in welche Richtung.

Sie ist nicht zu reduzieren auf eine mögliche Erwartungshal-

tung von Einheimischen an geflüchtete Menschen in Exis-

tenznot, sich in einem für sie fremden Land an eine für sie

fremde Kultur von heute auf morgen anzupassen; und sie

ist nicht vereinbar mit einer möglichen Vermeidungshaltung

von Migranten, die legitimen Ansprüche der angestamm-

ten Gesellschaft zu negieren. Als Einwanderungsland muss

Deutschland ein vitales Interesse daran haben, dass Migran-

ten sich nicht nur schrittweise die deutsche Sprache aneig-

nen und beruflich Fuß fassen, sondern auch die Grundla-

gen des pluralen und demokratischen Miteinanders in der

Gesellschaft kennen und achten lernen. Darauf macht neben

der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB)

auch die Gesellschaft für Politikdidaktik und politische

Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE) aufmerksam und

nennt – wenig verwunderlich – die Schule „die einzige Ins-

titution, die eine flächendeckende Vermittlung von entspre-

chenden Kenntnissen, Werten und Partizipationskompeten-

zen sicherstellen kann“. 

53

Zwar soll hiermit die Hauptlast bei

der Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Herausforderun-

gen einmal mehr allein der Schule aufgebürdet werden, was

angesichts der ständigen Aufgabenmehrung zu noch höhe-

rem Druck führte; jedoch wird die Schule auch hier ihren

nötigen Beitrag verantwortlich leisten. Dafür werden neben

administrativen und organisatorischen Weichenstellungen

vor allem didaktische Bildungskonzepte, auch in Form von

Unterrichtsmaterial, benötigt, die das Hineinwachsen in

diese Gesellschaft bzw. ein bereitwilliges Aufeinanderzuge-

hen im Sinne einer gemeinsamen Aufgabe thematisieren.

Einfach ist ein Integrationsprozess angesichts der Her-

kunft vieler Flüchtlinge aus Gesellschaften mit einem archa-

53 Der Sprecherkreis der GPJE: Flüchtlinge durch Bildung in das demokratische

Gemeinwesen integrieren! GPJE nimmt Stellung, in: POLIS 1/2016, S. 4. Vgl.

auch den Appell der DVPB an die Länderminister in: POLIS 4/2015, S. 7.