Table of Contents Table of Contents
Previous Page  68 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 68 / 80 Next Page
Page Background

68

Eine Mauer in Berlin und die innerdeutsche Grenze 1945–1989

Gleichzeitig wurde eine „Säuberung“ der lokalen Verwal-

tungen und der Parteileitungen veranlasst.

Mit den 1952 eingeleiteten Maßnahmen wurde das

Grenzgebiet selbst imMaßstab der DDR zu einem intensiv

überwachtenTerritorium. Als zusätzliches Element der Über-

wachung wurden sogenannte freiwillige Helfer der Grenz-

polizei eingesetzt, die ihre Nachbarn überwachten, Spitzel-

dienste übernahmen und ehrenamtlich in ihrer Freizeit im

Hinterland der Grenze Streife liefen. Dazu kamen später die

InoffiziellenMitarbeiter desMfS an derGrenze („Grenz-IM“).

Die Bestimmungen des Grenzregimes galten mit leichten

Modifikationen bis 1989. In Bayern erinnert das deutsch-

deutsche Museum in Mödlareuth an diese Grenze.

Grenze im geteilten Dorf Mödlareuth an der Grenze Bayern-Thüringen

Foto: sz photo/Fotograf: Alfred Strobel

1958–1961: Die zweite Berlinkrise

Bis 1961 war die Sektorengrenze in Berlin nicht geschlos-

sen und der S-Bahnring um die Stadt nicht geteilt. Für die

Bevölkerung der DDR bedeutete dies das Tor zum Westen,

das viele nach 1952 zur Flucht nutzten. Am 13. August 1961

wurde diese Situation gewaltsam beendet, mit der Verlegung

von Stacheldraht begann die räumliche Teilung Berlins.

1958 verlangte Chruschtschow ultimativ von den

Westmächten den Abschluss eines Friedensvertrages über

Deutschland mit der Bundesrepublik und der DDR und

die Umwandlung West-Berlins in eine freie Stadt, aus der

die Truppen der Westmächte abziehen sollten. Mit die-

sem Ultimatum löste der Herr im Kreml eine der längsten

und gefährlichsten Krisen des Kalten Krieges in Europa

aus. Nach dem Bau der Mauer spielten Moskau und

Washington wiederholt einen möglichen Atomkrieg um

die Transitwege nach West-Berlin durch. Dieses Planspiel

führte zur Erkenntnis, dass keine der Seiten einen solchen

Krieg gewinnen könne, ohne selbst dabei zerstört zu wer-

den. Diese Logik der gegenseitigen Vernichtungsdrohung

trug dazu bei, 1962 die Kuba-Krise friedlich beizulegen,

als die Welt kurz vor einem atomaren Konflikt stand.

Als Chruschtschow 1958 die Krise vom Zaun brach,

dachten weder er noch SED-Chef Ulbricht überhaupt

daran, dass am Ende eine Mauer die Stadt Berlin durch-

ziehen würde. Ein Motiv des sowjetischen Vorstoßes von

1958 war bereits zu Beginn der Krise offensichtlich: die völ-

kerrechtliche Stabilisierung der

DDR als sozialistischem Staat

in Deutschland.

Chruschtschow hatte ge-

genüber dem amerikanischen

Präsidenten John F. Kenne-

dy bei ihrem (einzigen) Tref-

fen in Wien, Anfang Juni

1961, das Ultimatum erneu-

ert. Darin forderte die sowje-

tische Regierung wiederum,

das Berlin-Problem – dies-

mal bis Dezember 1961 be-

fristet – zwischen der Sowje-

tunion und den Westmächten

durch einen Friedensvertrag

zu lösen. Erst danach woll-

te die Sowjetunion die Kont-

rolle über die Transitwege zu

Lande, zu Wasser und in der Luft an die DDR überge-

ben. Kennedy beharrte auf der westlichen Präsenz in Ber-

lin und dem Vier-Mächte-Status der Stadt. Verhandlung

darüber lehnte er ab. Gleichzeitig begrenzte er die ameri-

kanische Garantie auf West-Berlin.

Der Mauerbau in Berlin 

3

Den Begriff „Mauer“ benutzte SED-Chef Ulbricht erst-

mals am 15. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz. Eine

Korrespondentin der Frankfurter Rundschau fragte ihn

damals: „Bedeutet die Bildung einer Freien Stadt ihrer

Meinung nach, dass die Staatsgrenze am Brandenbur-

ger Tor errichtet wird? Und sind Sie entschlossen, dieser

3 Dieses Kapitel stützt sich auf das Buch des Verfassers: Der Weg zur Mauer.

Stationen der Teilungsgeschichte, Berlin 2011