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Eine Mauer in Berlin und die innerdeutsche Grenze 1945–1989

Die Erinnerung an die Berliner Mauer bündelt heute

somit die Geschichte des Bauwerks, das zwischen 1961

und 1989 die Stadt teilte, die der SED-Diktatur, die sie

baute, und an einen „Kalten Krieg“, der ein glückliches

Ende nahm.

Nachkriegsdeutschland 1945

Teilung und innerdeutsche Grenzen waren von 1945–

1990 das Ergebnis der totalen Niederlage des Deutschen

Reiches in Hitlers Eroberungs- und Vernichtungskrieg.

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht

bedingungslos. Auch die Deutschen waren in ihrem

besetzten Land von Hitlers Diktatur befreit worden. Der

Preis für diesen Krieg: die vier Siegermächte, die USA,

die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, über-

nahmen die oberste Regierungsgewalt in Deutschland.

Das Land verlor seine Souveränität und wurde in vier

Besatzungszonen aufgeteilt. Berlin wurde als Sitz des

Alliierten Kontrollrates ebenfalls in vier Sektoren auf-

geteilt, aber die deutsche Hauptstadt wollten die vier

Siegermächte gemeinsam verwalten. Die Ostgebiete

des Deutschen Reiches wurden abgetrennt, und ihre

Bevölkerung von 12–14 Millionen flüchtete oder wurde

„umgesiedelt“, wie die Sprachregelung für Vertreibung in

der sowjetischen Besatzungszone hieß. Es kam zwischen

den Besatzungszonen, vor allem der sowjetischen und den

drei westlichen, zu einer Massenwanderung, die von zer-

rissenen Familien und heimkehrenden Kriegsgefangenen

ausgelöst wurde.

Einer der wichtigsten innenpolitischen Gründe für die

befestigte Zonengrenze zwischen der DDR und der Bun-

desrepublik war, dass die Massenflucht aus der DDR in

die Bundesrepublik über die innerdeutsche Grenze und in

Berlin nicht abriss. Bis 1961 verließen ca. 2,9 Millionen

Menschen die DDR; das war ein Sechstel ihrer Bevölke-

rung. Die Flucht, vor allem von hochqualifizierten Fach-

kräften aus ihrem Staat, wurde von der SED mit dem

Bau der Berliner Mauer 1961 unterbunden – aber ihre

Ursachen wurden nicht beseitigt. Die militärisch gesicher-

ten Grenzen, das Verbot der Reisefreiheit für die Bürger,

beseitigte nicht den Freiheitswillen in der DDR. Von 1961

bis1988 flohen ca. 40.000 Menschen in die Bundesrepub-

lik, unter hohem persönlichem Risiko; ca. 70.000 Flucht-

willige wurden verhaftet und als „Republikflüchtlinge“ zu

Gefängnisstrafen verurteilt. An der innerdeutschen Grenze

und der Berliner Mauer wurde auf Flüchtlinge geschossen,

allein an der Berliner Mauer starben nachweislich 126 von

ihnen; die Schätzungen der Toten an der innerdeutschen

Grenze liegen zwischen 1.000 und 1.500 Toten.

Die Flucht aus der DDR war auch ein Problem für die

Deutschlandpolitik der Bundesregierungen. Sie bemüh-

ten sich, im Rahmen von Familienzusammenführung

und dem Freikauf politischer Häftlinge aus den DDR-

Gefängnissen menschliches Leid zu lindern. Bis 1988

kamen ca. 400.000 Menschen in den Westen. 1989 kehr-

ten bis Ende Juli weitere 56.000 Übersiedler der DDR

den Rücken. 

1

Die Flüchtlinge aus ihrem Staat blieben für die Kom-

munistische Staatspartei der DDR ein Problem bis 1989.

Mit geschlossenen und militärisch gesicherten Grenzen,

dem Entzug der Reisefreiheit in Deutschland für die

Staatsbürger versuchte sie, weitere Menschen am Weg-

gang zu hindern.

Berlinkrise 1949: die politische Spaltung der Stadt

Stacheldraht und Kontrollpunkte der Besatzungsmächte

an den Zonengrenzen und in Berlin waren der Anfang der

Grenzziehungen in Deutschland. Alliierte Reisebeschrän-

kungen für die Deutschen und der Stacheldraht an der

Demarkationslinie zwischen der sowjetischen, britischen

und amerikanischen Besatzungszone bildeten das Fun-

dament für die befestigte Westgrenze der DDR und die

Mauer in Berlin.

In der ersten „Berlinkrise“ 1948–1949 zerbrach die

gemeinsame Kontrolle Deutschlands durch die vier

Mächte und die alliierte Verwaltung Berlins. Die Stadt lag

mitten in der sowjetischen Besatzungszone und war nur

durch Transitwege zu Lande zu Wasser und in der Luft mit

den westlichen Besatzungszonen verbunden. Die Sowjet-

union versuchte, mit einer Blockade dieser Transitwege,

den Abzug der Westmächte aus der Stadt zu erzwingen.

Die Amerikaner, gestützt durch den Selbstbehauptungs-

willen der Westberliner, antworteten mit einer Luftbrü-

cke, die ein knappes Jahr hindurch die Bewohner ihrer

Sektoren mit Lebensmitteln versorgte.

Es kam zur politischen und ökonomischen Spaltung der

Stadt. Zwei Stadtverwaltungen für West- und Ost- Berlin,

zwei politische Systeme, parlamentarische Demokratie im

Westen der Stadt, kommunistische Parteidiktatur im Ost-

teil, und es gab zwei Währungen; aber die Sektorengren-

zen blieben für die Berliner offen.

Die Teilung Berlins lieferte den spektakulären Auftakt

für die Gründung der beiden deutschen Staaten 1949.

1 Antragsteller in den Bundes-Aufnahmestellen 31. Juli 1989, in: Hanns

Jürgen Küsters/Daniel Hofmann, (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpo-

litik, Deutsche Einheit, Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzler-

amts 1989/90, München 1998, S. 347 f.