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4.1 / Entscheidungshilfe für Lehrkräfte

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Während des Aufenthalts/Angebots:

Auch wenn Anbieter und Angebot noch so

sorgfältig ausgewählt wurden, können sich in

der konkreten Umsetzung des Programms

doch Überraschungen und Konflikte ergeben.

Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:

Situation 1:

Eine Schulklasse besucht ein Angebot zur Ein-

übung von Konfliktlösungen. Das Training wird

von einem ehemaligen Boxer durchgeführt, der

mit den 20 Mädchen und Buben zwei Stunden

lang verschiedenste Übungen aus einem Anti-

aggressionstraining durchführt. Dann bringt er

seinen Lebensweg ins Spiel: Gewalt, Aggression,

ungesunder Ehrgeiz und Konkurrenzdenken

hatten sein Leben bestimmt. Als dann die große

Karriere zu Ende ging, kamen Drogen dazu – bis

zu jenem Zeitpunkt, an dem er Gott begegnet

ist. Von einem Prediger auf der Straße ange-

sprochen nahm er plötzlich wahr, dass es im

Leben noch anderes, noch mehr geben muss.

Die Frage danach hat ihn nicht mehr losgelas-

sen, er ist zum Gottesdienst der betreffenden

Gemeinde gegangen und hat dort ein völlig

neues Leben gefunden. Ein Leben voller Soli-

darität, Hoffnung, Sinn. Deshalb mache er jetzt

auch dieses Angebot für Schülerinnen und

Schüler, um diese zur Umkehr und für ein Leben

mit Jesus zu begeistern ...

Situation 2:

Für das Lösen eines Klassenkonflikts wird ein

Coach eingeladen. Seine Devise ist: Alle Prob-

leme müssen erst einmal auf den Tisch! Natür-

lich nicht im Gesamt der Klasse, es soll ja nie-

mand bloßgestellt werden. Es werden zwei

gleich große Gruppen gebildet (aus je 15 Schü-

lerinnen und Schülern), die sich in zwei Kreisen

gegenübersitzen. Nun hat jeder Gelegenheit,

dem anderen in zwei Minuten einmal zu sagen,

was ihm am anderen gefällt, aber auch was ihn

schon lange stört. Alles darf gesagt werden,

nichts soll ausgespart bleiben. Nach zwei Minu-

ten bewegt sich der Außenkreis einen Platz

weiter. Nach dem sechsten oder siebten Wech-

sel verlässt ein Junge mit hochrotem Kopf und

geröteten Augen fluchtartig den Raum. Mehr-

mals hintereinander wurde ihm gesagt, wie

ungepflegt er wirke, weil er sein Akne-Problem

nicht in den Griff bekomme ...

Situation 3:

Zur Stärkung der Persönlichkeit der Schülerinnen

und Schüler und zur Verbesserung des Klassen-

klimas besucht eine Klasse ein Angebot, bei dem

vor allem mit erlebnispädagogischen Methoden

gearbeitet wird. Von den charismatisch auftre-

tenden Coaches erhält die Klasse immer dann

positive und stärkende Rückmeldungen, wenn

eine Aufgabe gelöst wird und wird als Klasse

hinterfragt, wenn eine Aufgabe nicht von allen

gelöst werden kann. Als ein etwas unsportli-

ches und korpulentes Mädchen zum dritten Mal

eine Übung – trotz Motivation, unermüdlicher

Anfeuerung und Hilfestellung von Coaches und

Klasse – nicht bewältigen und somit auch die

Klasse die Aufgabe wieder nicht lösen kann,

fallen Schimpfworte und der Satz „Du machst

unser Team kaputt!“. Die Coaches greifen nicht

ein. Im schlimmsten Fall verweisen sie sogar

darauf, dass die Aufgabe doch gar nicht so

schwer sei. Alle anderen hätten sie ja auch

bewältigt …

Ganz verschiedene Konfliktstellungen

tun sich in diesen Beispielen auf:

Trainings können zur charismatischen

Weitergabe von Glaubensüberzeugun-

gen missbraucht werden. Bleibt dies

unreflektiert stehen, kann das für Schü-

lerinnen und Schüler höchst irritierend

wirken und die bisherigen Erfolge eines

Trainings zunichte machen.

Coaches können nicht alle Äußerungen

von Schülerinnen und Schülern im Griff

haben. Umso mehr gilt es, auf die ent-

sprechende Methode und Aufgabenstel-

lung zu achten. Beispielsweise gelten

verschiedene Formen des

heißen Stuhls

schon seit langem unter Pädagoginnen

und Pädagogen als ungeeignet.

Schwierige Situationen, die sich in Trai-

nings ergeben können (z. B. weil je-

mand durch die Übungen zum Außen-

seiter wird oder es verbale Entgleisun-

gen gibt), sollten vermieden werden.

Treten sie dennoch auf, werden sie von

professionell arbeitenden Coaches auf-

gefangen und mit den Schülerinnen und

Schülern bearbeitet.

Anhaltspunkte für Lehrkräfte:

Lassen Sie sich die

Verantwortung

für

das Programm nicht von einem Coach

oder Trainer aus der Hand nehmen!

Verlassen Sie daher niemals die Grup-

pe! Sie kennen Ihre Klasse und Ihre

Schülerinnen und Schüler und wissen,

wo deren Grenzen liegen, wo sich Kon-