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3.1 / Sekundarstufe I/II: Körperkult im Alten Rom und heute – oder: was wirklich zählt

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Collage von jungen Menschen der Gegen-

wartskulturen (Folie 5). Der Herrscher der

Renaissance (Heinrich VIII) zeigt seine

königliche Macht durch seine Amtsinsigni-

en Robe und Kette, aber vor allem auch

durch körperliche Fülle und Muskeln, sowie

durch sein Mienenspiel (er weiß, was er

will). Die Damen in der Kunst des späten

Mittelalters und der Renaissance wissen

ihre Körper zu präsentieren, verwenden

Kosmetik, Haarfarbe, zeigen sich erotisch-

sinnlich, mit makellosen Körpern und wei-

ßer Haut, als Zeichen des edlen und mühe-

losen Lebens. Aufklärung und Reformation,

ja, der Trend zum Praktischen, kennzeich-

nen das Bild von Jan Vermeer. Die Frau ist

wieder fülliger als Zeichen des bescheide-

nen Auskommens, aber – calvinistisch ge-

prägt – jenseits von Überfluss und Tand.

Sie ist Küchenmagd oder Hausverwalterin,

sie trägt Kleidung, die passend für ihre Tä-

tigkeit im Haushalt ist.

Tüchtigkeit

könnte

über diesem Bild stehen, tüchtig ist auch ihr

Auftreten. Die Bilder von jungen Menschen

der Gegenwartskultur (

Prinzessin, Sportler,

Ethno, Punk

) spiegeln das Grundmuster

seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wieder

– standardisierte Individualität und Plurali-

tät in allen Bereichen der Gesellschaft,

auch in Körper- und Schönheitsfragen.

Unterschiedliche Typen von Frauen und

Männern (blond, dunkelhaarig, schlank,

üppigere weibliche und männliche Körper-

formen, …) können sich mit unterschiedli-

chen Stars in Film, Fernsehen und Wer-

bung identifizieren, wobei im europäisch

und amerikanisch geprägten Raum ge-

pflegte

sportlich-dynamisch

geprägte

Schönheitsideale den Trend prägen. Hier

schließt sich der Kreis zum Schönheitsideal

der Antike wieder. Anhand einer Beschrei-

bung des Philosophen Seneca (Arbeitsblatt

1:

Sen.ep.

56,1f.) werden von den Schüle-

rinnen und Schülern in Partnerarbeit we-

sentliche Aspekte des Körperkults im Alten

Rom erarbeitet; durch die entsprechende

Bezeichnung mit modernen Begriffen (Ta-

felbild:

Bodybuilding, Wellness, Epilieren

)

ist der Vergleich mit heute im Prinzip voll-

zogen. Interessant sind die Pinzetten aus

der Kaiserzeit (Arbeitsblatt 2/Folie 6), die

Vorläufer der heutigen Epiliergeräte. Wäh-

rend es in der Unter- und Mittelstufe ge-

nügt, die Pinzetten anhand einer Folie zu

zeigen, ist es in der Oberstufe sinnvoll, die

Abbildung der Pinzetten samt Informations-

text über Enthaarung (Arbeitsblatt 2) den

Schülerinnen und Schülern an die Hand zu

geben. Bei dem Dichter Catull (Arbeitsblatt

3: Cat.c. 43) ist uns ein römisches Schön-

heitsideal für das 1.Jh.v.Chr. überliefert,

das unter einem anderen Blickwinkel die

Betonung des Körperlichen zeigt, auch

wenn es zur damaligen Zeit Schönheits-

operationen im heutigen Sinne noch nicht

gab. Im Lateinunterricht in der 9. bzw. 11.

Jahrgangsstufe sollte das Gedicht nicht in

Einzelarbeit, sondern als gemeinsame Lek-

türe behandelt werden. Ein Vergleich mit

etwaigen heutigen Schönheitsidealen wird

den Schülerinnen und Schülern verdeutli-

chen, wie unterschiedlich Geschmack sein

kann. Hier kann noch einmal auf die unter-

schiedlichen Bilder am Anfang der Stunde

hingewiesen werden. Wiederum Seneca

(Arbeitsblatt 4:

Sen.ep.

15,1–6.11) entwirft

ein Menschenbild, das den Einzelnen nicht

zum Sklaven äußerer Maßstäbe macht

oder ihn in Extremhaltungen krank werden

lässt (z. B. Magersucht), sondern überzo-

genen Ansprüchen eine realistischere

Selbsteinschätzung gegenüberstellt. Die

Betonung von körperlicher und geistiger

Gesundheit schafft Selbstvertrauen und

Selbstbewusstsein angesichts der Sogwir-

kung von Modetrends und führt den Men-

schen zu seinen Wurzeln zurück, zu dem,

was wirklich zählt. Im Lateinunterricht der

11. Jahrgangsstufe sollte der Text nicht in

Partnerarbeit, sondern als gemeinsame

Lektüre behandelt werden. In einem vertie-

fenden Vergleich des Menschenbildes im

Alten Rom und heute sollen sich die Schü-

lerinnen und Schüler der Maßstäbe des

heutigen Körperkultes sowie der (teilweise

überzogenen) Erwartungen an den Einzel-

nen bewusst werden. In einer Gruppenar-

beit tauschen sie sich darüber aus, was

wirklich zählt und wie Leben aus ihrer Sicht

gelingen kann. Die anschließende Präsen-

tation der Ergebnisse im Plenum sollte

deutlich machen, dass es keine für alle

Menschen verbindlichen Kriterien für ge-

lungenes Menschsein gibt, sondern dass

die Erfahrung, wie Leben sinnvoll wird, in

der Verantwortung und Ehrlichkeit des Ein-

zelnen sich selbst gegenüber liegt.