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PISA
Welche Rolle spielen die
Rahmenbedingungen?
TraditionelleWerte stehen bei der Bevölkerung Bay-
erns und Baden-Württembergs, gerade auch bei den
Jugendlichen, noch relativ hoch im Kurs – dies belegte
erst kürzlich die 13. Shell Jugendstudie
Jugend 2000
.
Ohne Zweifel ist das der allgemeinen Leistungs-
bereitschaft förderlich.Auch dieWirtschaftskraft Süd-
deutschlands und besonders die geringe Jugendarbeits-
losigkeit dürften sich motivierend auswirken. Doch
allein damit lassen sich die bayerischen Erfolge keines-
falls erklären.
Denn im Rahmen der PISA-Studie wurde auch ein
Vergleich zwischen den deutschen Ländern angestellt,
in dem nur die Leistungen von Schülern mit gleichem
Sozialstatus und gleichem kulturellen Hintergrund
berücksichtigt wurden. Selbst bei dieserWertung, bei
der also der Einfluss des Umfelds bewusst ausgeschaltet
war, ergab sich ein klarerVorsprung Bayerns vor den
anderen Ländern.
Der Anteil der Schüler eines Altersjahrgangs, die das
Gymnasium besuchen, schwankt in den Flächenstaaten
Deutschlands zwischen 31 und 25 Prozent. In Bayern
gehen knapp 27 Prozent der 15-Jährigen an das Gym-
Wie steht es in Bayern mit dem
Zugang zum Abitur?
nasium – das sind mehr als in Schleswig-Holstein,
Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und
Niedersachsen.Von einer rigiden Auslesepraxis beim
Übertritt kann da in Bayern wohl nicht die Rede
sein. Die Gymnasiastenquote, so der Befund der PISA-
Studie, scheint primär davon abzuhängen, ob ein
Bundesland eher ländlich oder städtisch strukturiert
ist. Für die Entscheidung der Eltern, ob ihr Kind das
Gymnasium besucht oder nicht, gibt offensichtlich
vor allem die Entfernung zwischenWohnort und
Schule den Ausschlag. Die unterschiedlichen Über-
trittsregelungen der einzelnen Länder spielen dem-
gegenüber eine sekundäre Rolle.
Nimmt man alle Schüler eines Altersjahrgangs zu-
sammen, die in Bayern eine Berechtigung zum Stu-
dium erreichen, so beläuft sich diese Zahl auf rund 31
Prozent. Berücksichtigt sind hier alle Abschlüsse, die
entweder zur allgemeinen Hochschulreife, fachge-
bundenen Hochschulreife oder der Fachhochschul-
reife führen. Dass nur 20 Prozent die Hochschulreife
über das Gymnasium erwerben, hat einen plausiblen
Grund: In Bayern gibt es traditionell eineTendenz,
nach der mittleren Reife auf eine beruflich orientierte
Schule zu wechseln – z.B. die Fachoberschule – und
dort die Studienberechtigung zu erwerben.
Die bayerische Abiturientenquote dadurch zu stei-
gern, dass man bewusst das Leistungsniveau am Gym-
nasium absenkt, wäre sicher der falscheWeg. Im Ge-
genteil:Wie bisher ist es wichtig, einerseits hohe An-
sprüche an das Gymnasium zu stellen und andererseits
auch den anderen Schularten und der beruflichen Bil-
dung einen hohen Stellenwert zu geben. Dies sind die
zwei Standbeine, um eineVielzahl von jungen Leuten
mit hohen Qualifikationen heranzubilden. Bildungs-
chancen und Bildungserfolg eines Landes allein nach
der Zahl der Abiturienten zu bemessen, ist eine viel zu
enge Sicht und wird den vielfältigen Begabungen von
Jugendlichen nicht gerecht.
foto: gert krautbauer