nicht mitraucht, ist schnell ein
Feigling oder Muttersöhnchen.
Das will niemand auf sich sit–
zen lassen.
Während sonst überall die
Verweigerung den "Helden"
kennzeichnet, gilt beim Rau–
chen seltsamerweise die An–
passung als Bravourstück. Die–
sem Widerspruch erliegen übri–
gens nicht alle jungen Leute mit
gleichem Stärkegrad. Mädchen
sind weit weniger anfällig als
Buben, Gymnasiasten seltener
betroffen als Haupt- und Real–
schüler (siehe Schaubild unten).
Erleichtert wird der Griff zum
Glimmstengel durch die Allge–
genwart von 750000 Automa–
ten in der Bundesrepublik. Sie
hängen in Bahnhöfen und Gast–
häusern, an jeder Straßenecke.
Hier kann sich auch der Aller–
kleinste
unbemerkt
seine
chtel ziehen .
in wichtiger Grund für den
immer früheren Einstieg unserer
Kinder ins "Raucherglück" ist
das Aussteigen vieler Erwachse–
ner aus ihrer Erzieherrolle.
Die Pflicht zur Kontrolle wird
immer weniger ernstgenom–
men: Nur noch in jedem zwei–
ten Elternhaus macht man den
Kindern Vorwürfe, wenn sie
heimlich rauchen . Weitere Er–
gebnisse der Statistik: 23 Pro–
zent der Eltern kümmert es
nicht, wenn ihre Kinder rau–
chen . 27 Prozent erlauben es
sogar.
Kindererziehung war zu aller
Zeit mühevoll, nie frei von
Konflikten . Aber die Bereit–
schaft, sie durchzustehen, fällt
Eltern zunehmend schwer. Ge–
sundheit hin oder her - wer
möchte wegen einer simplen
. rette heute noch einen
uskrach in Kauf nehmen?
Andere verlassen sich auf
den Staat, wenn es um das Rau–
chen bei Kindern geht. Wofür
gibt es denn ein Jugendschutz–
gesetz? fragen sie. Hier steht
doch schwarz auf weiß, daß Ju–
gend unter 16 in der Öffentlich–
keit nicht rauchen darf.
Aber einen Erwachsenen, der
sich für diesen Paragraphen
stark ·macht, muß man heute
wohl mit der Lupe suchen. Man
sieht geflissentlich darüber hin–
weg, wenn schon 12- und
13jährige auf der Straße qual–
men. Schließlich will man
nicht als Spießer in Verruf
kommen.
Und was tut die Schule in Sa–
chen Nikotin und Jugend? Die
lehrplanmäßige
Aufklärung
über die gesundheitlichen
Schäden des Rauchens läuft auf
vollen Touren . Der Raucher–
Report stellt dazu fest: Es gibt
kaum mehr einen Jugendli–
chen, der nicht genau weiß,
daß Zigarettenrauchen schäd–
lich ist, häufig zum Tode führt.
Die jungen Menschen hören in
der Schule, daß jedes Jahr
140000 Bundesbürger nur des–
halb sterben, weil sie Raucher
sind .
Unsere Schüler kennen auch
die hauptsächlichen Schadstof–
fe, die beim Zigarettenrauchen
in den Körper geraten. Sie wer–
den vor Lungenkrebs, Raucher–
bein und allen anderen für Rau–
cher typischen Krankheiten ge–
warnt.
Aber warum schlagen die
jungen Leute dies alles in den
Der Zug zur Zigarette
Quelle: Bayer. Staatsministerium des lnnern
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Haupt-
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Real–
schule
Gym–
nasium
Regelmäßige Raucher
in der Altengruppe
von 1G-13 Jahren
Immer mehr Kinder greifen
heute einmal täglich oder öfter
·zur Zigarette. Der Befund un–
terscheidet sich nach Schulart
und Geschlecht. An der Spitze
liegen überall die Buben.
Wind? Die Erklärung ist ein–
fach: Die Warnungen werden
der Psychologie von Kindern
und Jugendlichen nicht ge–
recht.
Junge Menschen leben näm–
lich im Hier und Heute. Was
morgen kommt oder gar erst in
zehn, vielleicht zwanzig Jah–
ren, berührt sie wenig. Obwohl
sie es theoretisch wissen, än-
_dern sie deswegen ihr Verhal–
ten nicht.
Auch die grausamsten Bilder
von Raucherbeinen, Kehlkopf–
krebs und Teerlunge haben lei–
der nur geringe Wirkung,
schrecken höchstens kurzfristig
ab. Maßgebend bleibt der Ein-
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Zigarettenkonsum
in der Altengruppe
von 14-15 Jahren
Raucher mit mehr als 10 Ziga–
retten pro Tag findet man vor
allem unter den Realschülern.
Die größte Zurückhaltung zei–
gen Mädchen an Gymnasien.
Auf 300 Millio–
nen Markpro
Jahrschätzt
man die Ausga–
ben der Zigaret–
tenindustrie für
ihre Reklame.
Kaum ein ande·
res Produkt be–
ansprucht so
viel Werbeflä–
che. Die trügeri–
sche Botschaft
dieser Bilder
vom Cowboy–
und Draufgän·
gerleben ver–
spricht der Ju–
gend: Die Ziga–
rette macht dich
zum Mann.
fluß der Werbung und das
schlechte Beispiel der Erwach–
senen. Nur zu gern folgen die
Kleinen den Spuren der
Großen.
Kinder, die ihre Eitern Tag für
Tag rauchen sehen, können
beim besten Willen nicht be–
greifen, was daran so schlimm
und gefährlich sein soll. Sie se–
hen nur das eine: Rauchen
macht Spaß, ist schick und of–
fensichtlich typisch für Erwach–
sene. Wer, selbst raucht, ist als
Prediger wider den blauen
Dunst nicht glaubwürdig. Der
Erfolg steht und fällt mit dem
guten Beispiel.
Auch Verbote, so wichtig sie
sind, reichen allein nicht aus.
Eitern sollten sich daher nicht
zu gut sein, dem Nachwuchs
regelmäßig auf die Finger zu
sehen.
Denn noch immer gilt bei der
Erziehung: Nicht nur Vertrauen
ist gut, sondern auch gelegent–
liche Kontrolle, vor allem
dann, wenn es um leben und
Gesundheit unserer Kinder
geht.
Und wie steht es mit den
Raucherzimmern in den Gym–
nasien? Wo sie zum Ärgernis
werden, kann ein tatkräftiger
Elternbeirat für Abhilfe sorgen .
Wenn er einen Beschluß des
Schulforums herbeiführt, muß
das Raucherzimmer geschlos–
sen werden . Die rauchfreie
Schule braucht also nicht län–
ger Wunschtraum zu bleiben.
Es ist auch nicht einzusehen,
warum Autoabgase schädlicher
sein sollen als Ziggrettenqualm.
Wer sich von unseren jungen
Leuten heute für den Umwelt–
schutz stark macht, für saubere
Flüsse und reine Luft einsetzt,
der sollte auch zum Nikotin sa–
gen : "Nein, danke! "
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