hen, dann würde mir die Arbeit nicht ·
gefallen. Die Zeit für ein persönliches
Gespräch muß einfach vorhanden
sein. Es hilft einem ja auch bei der Ar–
beit, wenn man über das Leben des
einzelnen Heimbewohners ein wenig
Bescheid weiß. Voraussetzung für ei–
ne individuelle Pflege ist jedoch, daß
genügend Personal vorhanden ist.
Gott sei Dank sind in unserem Haus
alle Stellen bis auf eine besetzt.
Gibt es eine ideale Größe für ein
Altenheim?
·
·
Das Haus darf nicht zu groß sein. Wir
haben insgesamt 146 Betten, davon
38 auf der Pflegestation. Ich glaube,
größer sollte ein Altenheim nicht sein,
sonst ist es nur sehr schwer, ein fami–
liäres Klima zu schaffen.
Bei welchen Dingen benötigen die
alten Menschen vor allem Hilfe?
Also hier muß man zwischen Pflege–
station und Wohnbereich unterschei–
den. Auf der Pflegestation brauchen
uns die Leute eigentlich für
alles~
für
das Anziehen, Waschen, Essen usw.
Vollkommen anders ist das im Wohn–
bereich des Altenheims. Hier versor–
gen sich die Leute in der Regel noch
weitgehend selbst.
Bedeutet dies, sie können ihr Leben
selbständig gestalten?
Ein rüstiger Mensch ist im Altenheim
in seiner Lebensgestaltung in keiner
Weise eingeschränkt. Unsere Heim–
bewohner sind freie Menschen, auf
die keinerlei Zwang ausgeübt wird.
Sie leben hier gewissermaßen in ei–
ner Art Pension und können - soweit
sie dazu in der Lage sind - ihren ei–
genen Interessen nachgehen. Einige
Heimbewohner helfen sogar ehren–
amtlich im Haus mit, organisieren
z. B. Gesprächskreise oder Feiern.
Da die Leute hier nicht wie im Kran–
kenhaus nur ein oder zwei Wochen
bleiben, sondern oft viele Jahre, fin–
de ich es auch gut, daß sie ihre Zim–
mer mit ihren eigenen Möbeln und
persönlichen Dingen einrichten, um
sich hier wohl zu fühlen.
Läßt sich das auch auf der pflege–
station verwirklichen?
Nur zum Teil. Aus Platzgründen geht
das im Einzelzimmer natürlich besser
als im Doppelzimmer. Aber wir be–
mühen uns in jedem Fall darum, daß
die Leute noch etwas Vertrautes um
sich haben, und wenn es nur ein Bild
oder ein Foto an der Wand ist.
Selbstverständlich muß die Persön–
lichkeit des alten Menschen, und sei
er noch so gebrechlich oder geistig
verwirrt, auch auf der Pflegestation
respektiert werden. Jeder hat ein
Recht darauf, als erwachsener
Mensch behandelt zu werden. Dazu
gehört z. B., daß man ihn nicht mit ei–
nem vertraulichen "Du" anredet und
ihn nicht anfährt.
Was sind die häufigsten Gründe
dafür, daß man ins Altenheimgeht?
Sehr oft hängt der Entschluß damit
zusammen, daß man alleine ist und
ohne fremde Hilfe nicht mehr aus–
kommt oder daß ein Wohnungs–
wechsel ansteht. Ausschlaggebend
können auch Spannungen zwischen
Alt und Jung sein, die unter einem
Dach zusammenleben. Wir haben in
solchen Fällen oft die Beobachtung
gemacht, daß sich die Beziehungen
zwischen den Heimbewohnern und
ihren Angehörigen nach dem Eintritt
ins Altenheim spürbar verbesserten.
Ich bin jedoch dafür, daß alte Leute,
solange es geht, daheim bleiben. Wir
tun zwar viel für sie, aber die Familie
können wir nicht ersetzen.
Was sagen Sie zu dem häufigen
Vorwurf, daß alte Leute in ein
·
Altenheim ,abgeschoben' werden?
Ich glaube, das wird manchmal zu
einseitig dargestellt. Für eine Familie
ist es sicher keine leichte Aufgabe,
einen geistig verwirrten Menschen
rund um die Uhr zu betreuen. Oft
würden die Angehörigen bestimmt .
gerne die Pflege übernehmen, müs–
sen aber bald feststellen, daß sie es
nicht schaffen. Und wenn die Pflege
zum Zwang wird, unter dem die ge–
samte Familie zu leiden hat, ist das
Altenheim wirklich der geeignetere
Ort für die Betreuung. Allerdings
darf der Kontakt zu den Familienan–
gehörigen nicht abreißen.
Welche Erfahrungen haben Sie in
di_esem Punkt gemacht?
Hier muß ich vorausschicken, daß
sehr viele Leute in unserem Heim kei–
ne Angehörige mehr haben - z. B.
Frauen, deren Söhne im Krieg geblie–
ben sind - und daher wenig Besuch
bekommen. Ansonsten habe ich
durchaus den Eindruck, daß die
Heimbewohner von den Angehöri–
gen regelmäßig besucht werden und
man sich um sie kümmert. Und wenn
das nicht der Fall ist, nehme ich mir
schon die Freiheit, die Angehörigen
zu bitten, ihre Mutter an Weihnachten
- soweit es möglich ist - mit nach
Hause zu nehmen. Allerdings ist es
im allgemeinen besser, wenn die al–
ten Menschen am Abend wieder zu–
rÜckgebracht werden; denn das Al–
tenheim ist ihre gewohnte Umge–
bung, in der sie sich sicher fühlen.
Hat sich während ihrer langen
Dienstzeit in der Altenpflege etwas
Wesentliches geändert?
Heute geht man viel mehr auf die
Heimbewohner ein als früher. Sie
werden dazu motiviert, sich zu be–
schäftigen oder an gemeinsamen
Unternehmungen teilzunehmen. Wir
haben jetzt sogar eine Beschäfti-
,,Alt werden wir alle
-
und meistens nicht gesünder!'
10 SCHULE
aktuell