Fortsetzung von Seite 17
Graml legte ihnen einen um–
fangreichen Fragebogen vor. Er
enthielt insgesamt 57 vorformu–
lierte Aussagen, denen die Vä–
ter und Mütter entweder zu–
stimmen oder widersprechen
konnten. Hier einige Beispiele:
"Musik ist ein sehr wichtiger
Teil der Allgemeinbildung."
"Man kann nicht früh genug
damit beginnen, Musik zu ler–
nen und kennenzulernen. "
"Zeugnisnoten in Musik ge–
hören abgeschafft." usw.
Durch die unterschiedliche
Zustimmung oder Ablehnung
zu diesen Fragen kam der Pro–
fessor aus der Fuggerstadt zu
einem vielschichtigen, sehr ex–
akten Meinungsbild. ln einer
umfangreichen Studie liegen
die Ergebnisse jetzt vor.•
Das erste überraschende Er–
gebnis der Studie: Die Einstel–
lung der Eitern zur musikali–
schen Ausbildung ihrer Kinder
hängt aufs engste mit dem
Schulabschluß zusammen, den
sie einst selbst erworben ha–
ben . je länger sie nämlich zur
Schule gingen, um so größere
Bedeutung messen Eitern dem
Musikunterricht bei
(siehe
SchaubildS. 17).
Aber mehr noch als die eige–
ne Schulbildung bestimmt ein
zweites Merkmal die Haltung
der Eitern zur Musik, nämlich
das eigene Musizieren . Graml
konnte nachweisen: Mütter
und Väter, die selbst ein Instru–
ment erlernt haben, schätzen
. auch die musikalische Ausbil–
dung ihrer Kinder deutlich hö–
her ein als nicht musikalisch
aktive Eitern.
Das eigene Instrumenten–
spiel beeinflußt besonders stark
die Meinung von Eitern mit
Volksschulbildung. Hier liegt
das Votum für die Musik bei
den musizierenden Müttern
und Vätern um fast zwanzig
Prozent über dem der nicht mu–
sikalisch aktiven.
Ein weiteres wichtiges Ergeb–
nis: GramI hat herausgefunden,
daß der elterliche Wunsch
nach einer musikalischen Aus–
bildung der Kinder nicht stets
gleich stark ausgeprägt ist, son–
dern eine Art Alterungsprozeß
durchmacht. Bei Vorschulkin–
dern oder Abc-Schützen halten
die Eitern eine Förderung auf
dem Gebiete der Musik nahezu
einhellig für unverzichtbar.
Doch in späteren Jahren ver–
liert die Musik zunehmend an
Boden . Wenn es nämlich für
· • K. Grami/W. Reckziegel, Die Einstellung
zur Musik und zum Musikunterricht, Mainz
1982
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die Kinder gilt, den Mathe–
Zweier zu halten, die Note im
Aufsatz zu verbessern, dann
sinkt bei Mama und Papa
Schritt für Schritt die Wertschät–
zung der musikalischen Ausbil–
dung ihrer Kinder. Das Schau–
bild rechts unten veranschau–
licht den Schwund vom Kinder–
garten zu den höheren jahr–
gangsstufen .
Die gleiche Erscheinung
zeigt sich übrigens auch bei der
Frage, ob das Kind ein Instru–
ment erlernen soll oder nicht:
Auf die einhellige Zustimmung
in den Kindergartentagen folgt
mit den voranschreitenden Jah–
ren ein Prozeß der Ernüchte–
rung.
Väter und Mütter kalkulieren
dann immer kritischer den Zeit–
aufwand für das Üben, die Ko–
sten von Instrument und Unter–
richt. Auch wird ihre Befürch–
tung stärker, daß die aufge–
wandte Mühe zuletzt umsonst
sein könnte, wenn Sohn oder
Tochter den Geigenkasten und
die Gitarre vielleicht endgültig
in die Ecke stellen .
'
Doch auch wenn die Wert–
schätzung der musikalischen
Ausbildung mit zunehmendem
Alter der Kinder bei den Eitern
absinkt, beängstigend ist diese
negative Tendenz nicht.
Denn trotz des allmählichen
Nachlassens der anfänglichen
Musikbegeisterung in den
EI~
Iernhäusern konnte Graml klar
beweisen: Unter die 60-Pro–
zent-Marke sinkt die Zustim–
mungsquote nicht ab, auch
nicht in den letzten Klassen der
Volksschulzeit
Die große
Mehrheit der Eitern schätzt
auch dann noch die Musik als
einen unverzichtbaren Teil der
Bildung und des Stundenplans.
Bemerkenswert: Unsere Ei–
tern nehmen den Musikunter–
richt keineswegs kritiklos ent–
gegen. Im Gegenteil. Sie knüp–
fen ganz bestimmte Erwartun–
gen an ihn , Zwar soll Wissen
vermittelt werden, aber "die
Leistung" darf dabei nicht im
Mittelpunkt stehen. Vor allem
soll die Musikstunde den Kin–
dern Freude machen .
Daneben kommt es den Ei–
tern auch darauf an, daß hier
die sonst etwas leistungsschwä–
cheren Kinder zeigen können ,
was in ihnen steckt. Schüch–
ternheit und Hemmungen, so
die Eitern, sollen beim gemein–
samen Singen oder Musizieren
abgebaut werden.
Was das Singen betrifft, so
hat Graml übrigens einen ganz
wunden Punkt aufgespürt. Vie–
le Eitern verfolgt seit ihrer Kind-
Wahlfach
oder
Qualfacht
Zur Freude an der
Musik gehört das
richtige Instrument
Wer Klavier lernen
will, der soll die
Finger von Opas
alter Geige lassen.
Wem die Ziehhar–
monika gefällt,
den darf man nicht
zur Zither zwingen.
Sonst programmiert
man nur Mißerfolg.