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V

ater ist außer sich:

"Fünfzehn Fehler

in einem Diktat!

Das ist ein starkes

Stück! Sieh' dir das einmal

an: Direkt wunderbar ist

das, wie ideenreich du bist!

Du schreibst ,ihm Flus' statt

,im Fluß'. Was hast du bloß

im Kopf?" Daniela stehen

die dicken Tränen in den

Augen: Sie weiß selbst

nicht, warum sie immer

wieder so viele Recht–

schreibfehler macht.

Am nächsten Tag nimmt

Mutter die Sache in die

Hand: "Ab heute üben wir

beide Diktat. Jeden Tag

eine halbe Stunde - jeden

Tag einen anderen Text. Bis

du es kapiert hast!" Die

kommenden Wochen wer–

den zur Qual. Für Mutter

und Kind. Jeden Tag gibt es

eine neue Enttäuschung, je–

den Tag schreibt Daniela

andere Wörter falsch, flie–

ßen Tränen. Am Ende der

Tortur bringt sie die glei–

chen

schlechten

Noten

heim wie vorher.

Das hätte nicht sein müs–

sen, wenn Mutter und Toch–

ter nicht nur geübt, son–

dern sinnvoll geübt hätten.

Das "Trainingsprogramm"

mußte scheitern, weil die

Mutter jeden Tag mit einem

neuen Text und mit ande–

ren schwierigen Wörterr.

kam. Daniela schrieb Feh–

ler über Fehler. Durch

Falschschreiben prägte sie

sich die fremden Wörter

nicht richtig, sondern ver–

kehrt ein. Die anschließen–

de Verbesserung konnte

diese dauernde Fehlerquelle

nicht schließen, sondern

verwirrte das Kind nur noch

mehr.

Die Mutter hatte eine

Grundregel

des

Recht–

schreib-Trainings nicht be–

achtet: Zuerst üben - spä–

ter prüfen. Sie hatte es ge–

nau umgekehrt gemacht. Es

ist aber nutzlos, den Kin–

dern zu Hause unbekannte

Diktate zu geben. Erst wenn

der Text geübt, d. h. die

schwierigen Wörter bespro–

chen und mehrmals abge–

schrieben wurden, hat das

Diktat einen Sinn. Ohne

lange zu überlegen, fast au–

tomatisch bringt das Kind

anschließend jedes Wort

richtig zu Papier, und der

Erfolg macht ihm die Übun–

gen schmackhaft.

Schimpfen und Ungeduld

helfen nicht. Sie produzie–

ren nur Mißmut, Mutl<,>sig–

keit. Auch zu langes Trai–

ning bringt nichts, wenn es

die Konzentrationsfähigkeit

überfordert. Lieber jeden

Tag zehn Minuten üben als

einmal in der Woche drei

Stunden. Und die zweite

Grundregel: Jedes Kind hat

ein Recht darauf, schwierige

Wörter auch einmal falsch

zu schreiben - je jünger es

ist, desto mehr. Wenn der

Siebenjährige seiner Oma

in einem Briefehen von den

"Kaubeus auf der Rensch"

erzählt - tadeln Sie ihn

nicht! Manchem Abc-Schüt–

zen vergeht die Lust am

Schreiben, wenn perfek–

tionssüchtige Eitern schon

bei den ersten Zeilen und

Sätzchen ihres Kindes auf

den Fehlern herumhacken.

Es genügt am Anfang völlig,

wenn es zunächst die ge–

bräuchlichsten Wörter be–

herrscht und sich kein Wi–

derwille gegen das Schrei–

ben einnistet.

Die Rechtschreibeübung

sollte möglichst viel Spaß

machen und ·abwechslungs–

reich sein. S

&

W hilft ihnen

dabei mit ein paar Tips:

1. Das Kind muß den

Text verstehen: Darum las–

sen Sie den Übungs-Text

erst einmal laut lesen. Dann

sprechen Sie über das, was

er erzählt. Sonst muß Ihr

Kind nachher Wörter und

Sätze schreiben, deren Sinn

es nicht versteht, und wird

so

vom Richtigschreiben ab–

gelenkt.

Es hilt wenig Sinn, zum

Beispiel den Duden von A

bis Z durchzuackern oder

Jen Übungstext wahllos

aus irgendwelchen Zeitun–

gen oder Büchern zu neh–

men. Was nützt es Daniela,

wenn sie Wörter schreiben

lernt, die sie erst in fünf

Jahren braucht? Darum

wählen Sie kurze Abschnitte

aus den Schulbüchern Ihres

Kindes (es muß nicht das

Lesebuch sein!) oder aus

Sachbücpern, die in alters–

gemäßer Sprache den ge–

rade in der Schule behan–

delten Stoff wiedergeben.

So wächst mit dem Sach–

wissen das Wortwissen.

2. Schwierige Wörter iso–

lieren: Die Arbeit am

Ubungstext muß sich auf

wenige problematische Fäl–

le konzentrieren. Deshalb

markiert man sie durch Un–

terstreichen oder löst sie

aus dem Text heraus und

schreibt sie - jedes Wort

einzeln - auf einen kleinen

KarteizetteL Mit diesen

Wortkärtchen läßt sich bes–

ser umgehen.

3. Wörter erklären: Wenn

die schwierigen Wörter aus

dem Text herausgelöst sind,

spricht man mit dem Kind

über die Schreibweise. Zum

Beispiel: ",äuten" ist ein

Zeitwort (Verb), deshalb

wird es klein geschrieben;

es kommt von "laut", des–

h<:~lb

schreibt man es mit

"äu". - Oder: "Stecker" ist

ein Hauptwort, deshalb

wird es groß geschrieben.

Es hat ein ck. Man spricht

"Schtecker", schreibt es

aber mit st.

4. Die Wortfamilie ken–

nenlernen: Ein Wort haftet

leichter im Gedächtnis,

wenn man die ganze Fami–

lie kennt, zu der es gehört.

Eine Übung kann deshalb

z. B. heißen: Suche die Ver–

wandten zu dem Wort

"drucken"! Daniela schreibt:

drucken, Druck, Druckerei,

Drucksache, drücken, drük–

kend, bedrückend, Drücke–

berger.

5. Wörter beugen: Da–

niela schreibt die schwieri–

gen Hauptwörter in der Ein–

zahl und Mehrzahl auf ei-

nen Zettel. Also: der

Stamm, die Stämme; der

Ast, die"Äste; Has Blatt, die

Blätter usw. Oder: Man läßt

die verschiedenen Zeitfor–

men der Zeitwörter schrei–

ben (steigen, stieg, gestie–

gen) und ihre Personalfor–

men dazu (ich steige, du

steigst, er, sie, es steigt,

usw.). Oder man sucht die

Steigerungsformen der ·

genschaftswörter (hoch,

her, am höchsten).

6. Wörter mit der glei–

chen Rechtsthreib-Falle: Es

gibt im Deutschen viele

Wörter mit einer verzwick–

ten Buchstabenfolge, über

die Kinder regelmäßig stol–

pern. Dazu gehört z. B. das

th in Wörtern wie Apothe–

ke, Dorothea, Theke, Thea–

ter, Thron. Regen Sie Ihr

Kind an, andere Wörter mit

der gleichen Schwierigkeit

zu finden, sie aufzuschrei–

ben, sich einzuprägen.

7. Reime sind Gedächt–

nisstützen: Textdichter von

Schlagern leben davon, daß

ihnen auf "Liebe" immer

noch ein neuer Reim ein–

fällt. Reime sind aber auch

für das Einprägen von

schwierigen Buchstaben ,

gen wertvoll. Darum lassen

Sie Ihr Kind klanggleiche

Wörter suchen. Zum Bei–

spiel: Klappe, Mappe, Kap–

pe, Pappe, Schlappe, Rappe.

Oder: schwimmen, stim–

men, klimmen, glimmen

usw.

8. Reime, die täuschen:

Eine besondere Schwierig–

keit liegt darin, daß gleich

klingende Wörter manch–

mal

unterschiedliche

Schreibweisen haben: Lied

- Lid, Stiel -Stil, Tod- tot,

Lamm - lahm, Ecke - Egge,

Bagger - Packer. Wenn man

deutlich spricht und die

Kinder genau hinhören,

merken sie die Unterschie–

de. Das Training wird lusti–

ger und darum besser,

wenn man dumme Reim–

sprüche erfindet, etwa:

"Das Lamm geht lahm." -

"Er schließt die Lider und