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selbst lernen, ihre Meinung offen zu sa-

gen, müssen ihre Minderwertigkeitsge-

fühle verlieren, ihre Angst, sich andern so

zu zeigen, wie sie tatsächlich sind.

Und das Wichtigste: Sie müssen sich ihrer

Vorurteile bewusst werden und sie zu

bekämpfen suchen. Dazu benötigen sie

Hilfe von Lehrern, Eltern oder Psycholo-

gen. Nur so werden die Schüler autark

und selbstsicher, werden abgehärtet ge-

gen Angriffe von Mitschülern und sind

nicht mehr auf das Mobben Schwächerer

angewiesen.

Mobbing und Gruppen-

zwang sind zwei ge-

trennte Bereiche.

1.

Unter Mobbing ver-

steht man eine Form of-

fener oder subtiler -

physischer oder verbaler

- Gewalt unter Kollegen oder zwischen

Vorgesetzten und Untergebenen, bei der

jemand systematisch angegriffen wird mit

dem Ziel, ihn aus dem Arbeitsverhältnis

bzw. der Gemeinschaft auszustoßen. Da-

gegen spricht man von Gruppendruck,

wenn es darum geht, dass sich Einzelne

entsprechend den Erwartungen einer

Gruppe verhalten, um weiterhin Grup-

penmitglied zu bleiben.

2.

Es stimmt, dass Gruppendruck auf ver-

schiedene Weisen Mobbing begünstigt.

3.

Wichtig bleibt vor allem Folgendes:

Negative Auswirkungen auf Menschen

dürfen wir, ganz egal ob durch Gruppen-

druck oder Mobbing verursacht, nicht als

unveränderlich hinnehmen. Bei allen Lö-

sungsmodellen wird die eindeutige Posi-

tion der Erwachsenen gegen Gewalt vor-

ausgesetzt. Das darf aber keinesfalls nur

in Strafen für die Täter münden; da wäre

die Kritik vollkommen berechtigt. Das

Mobbing. Ein relativ

neuer und abstrakter

Begriff für die Folge ei-

nes einfachen Sachver-

halts: Gruppenzwang.

Den hat es schon im-

mer gegeben, er ist

einfach nicht abzuschaffen, gerade in-

nerhalb der Klassengemeinschaft. Gibt

es da überhaupt eine Lösung? Ist es

möglich, von außen so einzugreifen,

dass aus den einzelnen Cliquen inner-

halb einer Klasse eine homogene Ge-

meinschaft wird? Sicherlich nicht. Er-

folgversprechender ist es, die Gruppen

quasi von innen zu bekämpfen.

Das gelingt aber nicht durch das „Set-

zen eindeutiger Signale“, wie es Frau

Raith fordert. Genauso falsch ist es, die

Opfer zu ermuntern, die Täter bei den

Lehrern zu verpetzen. Das würde genau

das Gegenteil bewirken von dem, was

man erhofft. Es ist viel wichtiger, das

Selbstvertrauen der Schüler zu stärken.

Das soll aber nicht allein durch Lob ge-

schehen. Vielmehr müssen die Schüler

– 1 01

6

z

E

fotos: privat

Psychologie

Noch einmal:

Daniela Raith

Mobbing in der Schule

klare Signal der Erziehenden „Diese Art,

miteinander umzugehen, tolerieren wir

nicht!“ dient jungen Leuten als Modell

und Anregung. Erst wenn Schülern klar

ist, dass sie von Erwachsenen Unterstüt-

zung erhalten, wird sich an ihrem Verhal-

ten etwas ändern.

4.

In der Regel findet Mobbing unter

Schülern nicht im Beisein der Erwachse-

nen statt. Deshalb ist es wichtig, dass

Opfer und Beobachter sich an Erwach-

sene wenden. Dass ich damit ein heißes

Eisen anpacke, weiß ich! Denn das so ge-

nannte „Petzen“ hat bei Jugendlichen

und Erwachsenen einen ganz schlechten

Stellenwert. Aber genau dagegen spre-

chen für mich folgende Argumente:

•Manche Dinge lassen sich einfach nicht

untereinander regeln. Warum gibt es

sonst Schlichter oder Konfliktmanager?

•Gerade bei Mobbing ist das Aufdecken

besonders wichtig, weil die Opfer häufig

unter Scham- und Schuldgefühlen leiden.

•Jedes Tabuisieren verhindert eine posi-

tive Veränderung. Neues zu lernen sind

wir leider oft nur dann bereit, wenn das

Alte von unserem Umfeld nicht mehr ak-

zeptiert wird.

•Nicht zu petzen, also Unrecht nicht

aufzudecken, eine solche Haltung wäre

falsch verstandene Solidarität. Das Still-

schweigen interpretieren die Täter nur

allzu gerne als Billigung. Die so genannte

„Wegschau-Gesellschaft“ ist m.E. eine

Folge dieser Haltung. Deshalb sollte man

das Offenlegen eher mit dem Begriff „Zi-

vilcourage“ umschreiben.

Michael Marquardt

i

Ein Verzeichnis einschlä-

giger Literatur zum

Thema „Mobbing“ kann

von der Redaktion

angefordert werden.

DasThema „Mobbing in der

Schule“ (EZ-Nr. 2/00) hat offen-

sichtlich ins Schwarze getroffen.

Der Beitrag der Schulpsychologin,

Oberstudienrätin Daniela Raith,

fand große Resonanz.Auch

Michael Marquardt, 17, Schüler

eines Amberger Gymnasiums,

fühlte sich angesprochen und

schickte uns folgende Anmerkun-

gen. Frau Raith erläutert ebenfalls

noch einmal ihre Sicht.Wir stellen

Ihnen die beiden überlegenswer-

ten Positionen in Auszügen vor.