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Unfug auf, sonst lasse ich euch aus–

steigen", dröhnt es aus den Lautspre–

chern. Das zeigt Wirkung, allerdings

nur für kurze Zeit- Schulbusfahren ist

in der Tat ein nervenaufreibendes

Geschäft. Sandra kommentiert den

für einen Außenstehenden sehr rauh

klingenden Ton des Fahrers so: "Der

hat schon recht, die würden ihm ja

sonst auf der Nase herumtanzen."

Um Z40 Uhr ist endlich das Ziel, ei–

ne Grundschule, erreicht. Noch ein–

mal wird geschubst, gestoßen und

gedrängelt, und als einer der Erst–

kläßler beim Aussteigen stolpert, gibt

es bissige-und spöttische Kommenta–

re. Nach kurzer Zeit sind trotzdem al–

le Schüler draußen; es ist wieder ein–

mal geschafft - in 20 Minuten fängt

RECHT AUF BEFÖRDERUNG

die erste Unterrichtsstunde an.

So oder wenigstens so ähnlich

dürfte für viele Kinder und Jugendli–

che in Bayern der Schulalltag begin–

nen. Über 500000 Schüler haben bei

uns ein Recht auf kostenlose Beförde–

rung zur Schule, was in der Regel

durch öffentliche Verkehrsmittel oder

durch eigens eingesetzte Schulbusse

geschieht. Ein Anspruch besteht

grundsätzlich immer dann, wenn die

Entfernung vom Elternhaus zur Schule

mehr als drei Kilometer beträgt und

es nach allgemeiner Verkehrsauffas–

sung nicht zurnutbar ist, den Schul–

weg auf andere Weise zurückzule–

gen; für Schüler bis zur 4. Jahrgangs–

stufe beträgt die geforderte Distanz

zwei Kilometer. Natürlich gibt es hier

Ausnahmen, etwa wenn ein Schüler

eine dauernde Behinderung besitzt

oder der Schulweg besonders be–

schwerlich bzw. gefährlich ist.

Um die finanzielle Seite dieses ,Zu–

bringerdienstes' hat sich der zustän–

dige Aufgabenträger zu kümmern,

also - je nach Ort und Schulart- die

Gemeinde, die Stadt oder auch der

Landkreis. Kostenfrei ist dieser Ser–

vice allerdings nur für Schüler bis zur

10. Jahrgangsstufe. Ab der 11. Klas–

se sieht der Gesetzgeber, von Aus–

nahmen abgesehen, eine Eigen- bzw.

Elternbeteiligung von 550,- DM pro

Schuljahr vor, das heißt, erstattet

werden nur die Kosten, die über die–

sen Betrag hinausgehen. Trotz dieser

Einschränkung stellen die Aufwen–

dungen für die kostenlose Beförde–

rung zur Schule eine enorme Bela–

stung für die öffentliche Hand dar. So

ist es durchaus nichts Außergewöhn-

4 SCHULE

aktuell

liches, daß ein Schulverband auf dem

Land für 330 Schüler, die zu seinem

Einzugsgebiet gehören, 'pro Jahr

rund 180000 Mark allein für diesen

Zweck aufbringen muß. Und im

Haushalt des Freistaates Bayern, der

den Aufgabenträgern mit Zuschüssen

unter die Arme greift, schlägt dieser

Posten mit mehr als 300 Millionen

Mark zu Buche.

Gerade mit den hohen Kosten

hängt es auch zusammen, daß es

zwar ein Recht auf Beförderung, nicht

aber ein Recht auf einen Sitzplatz

gibt. Wie viele Personen dann letzt–

lich in einem Bus mitgenommen wer–

den dürfen, steht im Kraftfahrzeug–

schein; die zulässige Zahl der Sitz–

und Stehplätze muß außerdem - für

jedermann sichtbar - auf einem

Schild im lnnern des Fahrzeugs aus–

gewiesen sein. Dabei gelten die an–

gegebenen Obergrenzen gleicher–

maßen für Erwachsene wie für Kin–

der; die Sonderregelung, daß in Bus–

sen, die vor dem Mai 1984 zugelas–

sen wurden, zwei nebeneinanderlie–

gende Sitzplätze mit drei Schülern

unter zwölf Jahren besetzt werden

können, ist seit Beginn des letzten

Schuljahres aufgehoben.

Ein Problem bleibt freilich, daß be–

reits der Fahrzeugschein zusätzlich

zu den Sitzplätzen häufig eine so ho–

he Zahl an Stehplätzen ausweist, daß

manchmal ein scheinbar zu voller

Bus durchaus noch den Vorschriften

entspricht. Aus Sicherheitsgründen

dürfen die Stehplätze allerdings .nur

im Innerortsverkehr bzw. zwischen

Nachbarorten genutzt werden. Un–

abdingbar ist dabei aber auf jeden

Fall, daß für Kinder, wenn sie schon

stehen müssen, geeignete Haltevor–

richtungen vorhanden sind und ge–

fährliche Stehflächen, etwa die Tritt–

stufen der Ein- und Ausstiege, freige–

halten werden.

Zwar sind laut Statistik Busse bei

der Schülerbeförderung, etwa im

Vergleich zum Fahrrad, relativ si–

cher, trotzdem besteht kein Anlaß zur

Selbstzufriedenheit. ln den Vereinig–

ten Staaten zum Beispiel ist der Si–

cherheitsstandard weit höher und die

Unfallrate nach Angaben des ADAC

sage und schreibe 14mal niedriger

als bei uns. So darf man sich letztlich

auch nicht darüber wundern, daß im

Jahr 1990 den Trägern der gesetzli–

chen Unfallversicherung in Bayern

immer noch 942 Schulbusunfälle un

ZWEIERLEI MASS

237 Schülerunfälle mit sonstigen Bus–

sen gemeldet wurden.

Allein in dieser Aufgliederung

zeigt sich ein durchaus nicht zu unter–

schätzendes Problem; denn eine Rei–

he von Vorschriften, die speziell für

die Sicherheit der Schüler erlassen

wurden, gelten lediglich für das als

Schulbus gekennzeichnete Fahrzeug,

nicht für den Linienbus, selbst wenn

dieser ebenfalls oder sogar überwie–

gend Schüler befördert. So weist z. B.

nur der Schulbus die übrigen Ver–

kehrsteilnehmer durch entsprechen–

de Schilder und das Einschalten der

Warnblinkanlage an der Haltestelle

darauf hin, daß hier Kinder ein- und

aussteigen und somit erhöhte Auf–

merksamkeit notwendig ist.